Untitled
aber dann ist es besser, wenn du dich selber rührst. Ich bin nicht begierig darauf, wieder Clown zu werden, verstehst du? Morgen früh will ich dich besuchen. Dann werde ich dir mehr sagen – und es wird dich erfrischen!«
Er machte eine Pause und räusperte sich.
»Du wolltest immer eine große, feine Nummer sein, nicht wahr? Erinnere dich! In mir wächst ein Gedanke: er ist zu deinem Nutzen. Soviel für heute! Schlaf gut!«
Er puffte Antoine in die Schulter, als wollte er ihn zur Gesundheit hinstoßen. An der Tür fing er noch den schwachen Schimmer eines Lächelns auf, das über Antoines Gesicht huschte. Er stahl sich auf den Zehenspitzen davon.
Mit langen Schritten strebte er dem Zelt zu und summte ein Lied vor sich hin. Die Idee, die ihm vor wenigen Augenblicken zugefallen war, gewann Gestalt. Kaum daß er seine Nummer erwarten konnte, so sehr verlangte es ihn, mit seinem Plan ans Ziel zu kommen. »Diesen Abend«, sagte er zu sich selbst, als er sich fertig machte, »werde ich eine Vorstellung geben, wie sie noch niemand gesehen hat. Wartet nur, meine Lieben, wartet, bis sich August ins Zeug legt.«
Er steigerte sich in solche Raserei und Ungeduld, daß er wie eine närrische Ziege umhersprang, als er, begleitet vom dünnen Quäken der Violine, in das Scheinwerferlicht taumelte. Sobald er die Sägespäne unter seinen Füßen spürte, wurde sein Spiel reine Improvisation. Nicht einer dieser wilden, sinnlosen Luftsprünge war von ihm vorgesehen, geschweige denn eingeübt worden. Er hatte sich selbst von der Tafel gewischt und schrieb darauf den Namen Antoines in unauslöschlichen Lettern. Wenn Antoine nur selbst hier gewesen wäre, um seine Geburt als Weltstar mitzuerleben!
In wenigen Augenblicken vergewisserte sich August, daß er sein Publikum gepackt hatte und in der Hand hielt. Dabei war er noch reichlich steif, noch nicht gelockert.
»Wartet, wartet!« muffelte er zwischen den Zähnen, während er sich von einer Seite auf die andere warf. »Das ist noch gar nichts, das ist nur der Anfang von Antoines Geburt. Er hat eben erst begonnen, die Füßchen zu regen.«
Nach diesem einleitenden Sketch sah er sich von einer Gruppe begeisterter Leute umringt. Unter ihnen war der Boss.
»Sind Sie toll geworden, August?« waren seine ersten Worte. »Wollen Sie Antoine ruinieren?«
»Nur keine Angst!« beruhigte ihn August, und die Freude schoß ihm warm ins Gesicht. »Ihr werdet sehen, ich mache Antoine. Nur Geduld! Ich versichere euch, alles wird gut.«
»Aber es ist schon zu gut, das ist es ja gerade! Nach einer solchen Vorstellung ist Antoine erledigt.«
Den Streit auszutragen, blieb keine Zeit. Die Manege mußte für die Trapezkünstler freigemacht werden. Die Truppe war klein: jeder mußte Hand anlegen.
Vor dem nächsten Auftritt des Clowns gab es langen Applaus, der sich zu Zurufen steigerte, als August seinen Kopf zwischen den Vorhängen zeigte.
»Antoine, Antoine!« schrien sie, stampften mit den Füßen, pfiffen und klatschten vor Freude in die Hände. »Antoine soll kommen! Wir rufen Antoine!«
Antoine pflegte bei diesem Auftritt eine kleine Solonummer zu zeigen, einen abgedroschenen Sketch, aus dem schon vor Jahren der letzte Hauch schöpferischen Atems entschwunden war. Abend für Abend hatte August diese Szene mitangesehen und überlegt, wie er an Antoines Stelle die Tricks ändern und ansetzen würde. Nun war der Augenblick gekommen, die Gags auszuspielen, die er sooft bis in den Schlaf hinein spielerisch in Gedanken geübt. Er hatte die star ke Empfindung, nun einem Meister zu gleichen, der das Werk eines nachlässigen Schülers vollendet, die letzten Glanzlichter aufsetzt. Vom Gegenstand der Darstellung abgesehen, blieb nichts vom Original erhalten. Man änderte ein Winziges hier, ein Winziges dort, und am Ende stand das neue Werk.
August ging mit dem Eifer eines Irren an die Arbeit. Hier war nichts zu verlieren. Im Gegenteil: alles war zu gewinnen. Jeder Dreh und Kniff bedeutete neues Leben für Antoine. Während er die Nummer Akt für Akt durchfeilte und vollendete, notierte er im Gedächtnis für Antoine die Tricks, mit denen er die Wirkungen hervorbrachte. Jeden seiner Sprünge durchlebte und durchdachte er dreifach: als der Meisterclown August, August als Antoine und Antoine als August. Und über diesen dreien schwebte als Wesen, das sich mit der Zeit als lebendig erweisen sollte, Antoine als Antoine. Ein neugeborener Antoine, gewiß, ein Antoine in excelsis. Je mehr er über diesen
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