Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
Vom Netzwerk:
saß gerade vor einem Wohnwagen und flickte eine alte Hose, als er die Neuigkeit erfuhr. Er murmelte einige Worte des Mitgefühls und setzte seine Arbeit fort. Dennoch hatte er sogleich begriffen, was diese Nachricht für ihn bedeutete: man würde ihn auffordern, Antoine zu ersetzen, darüber konnte kein Zweifel bestehen. Er mühte sich, die aufsteigende Erregung zu unterdrücken, und versuchte, ruhig und nüchtern über die Antwort nachzudenken, die er geben mußte, wenn die Zeit gekommen war.
    Lange wartete er so, aber niemand fragte. Er allein war fähig, Antoines Stelle einzunehmen, dessen war er gewiß. Was hielt sie zurück? Auch als er sich erhob und zwischen den Wagen umherstrich, um sie nachdrücklicher auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen, um ihnen Gelegenheit zur Frage zu geben, wann und wo immer sie es wünschten, machte niemand Anstalten, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
    Zuletzt entschloß er sich, das Eis selbst zu brechen. Nach alldem, warum nicht? Warum sollte er seine Dienste nicht anbieten? Er fühlte sich stark und voll guten Willens gegen jedermann. Wieder Clown zu sein, war ein Geringes für ihn, ein Nichts. Ebensowohl konnte er einen Tisch vorstellen, einen Stuhl, die Leiter, ganz nach Bedarf. Er verlangte keinerlei besondere Vorrechte für sich, er war einer der ihren, er teilte ihre Sorgen und ihr Leid.
    »Hören Sie zu«, sagte er zum Boss, als er ihn endlich erwischte. »Ich bin bereit, heute nacht an Antoines Stelle zu treten. Das gilt natürlich nur«, fügte er hinzu und zögerte einen Augenblick, »wenn Sie nichts Besseres in Aussicht haben.«
    »Nein, August, Sie sind der einzige, das wissen Sie genau. Es ist sehr freundlich von Ihnen …«
    »Aber?« fragte August knapp und mißtrauisch. »Glauben Sie vielleicht, ich könnte den Clown nicht mehr spielen?«
    »Aber nein, nicht das, nicht das! Es ist ja eine große Ehre für uns …«
    »Also was dann?« forschte August, fast zitternd vor Eifer und Ungeduld, denn er verstand jetzt, daß es eine Frage des Taktes war.
    »Die Sache ist die«, sagte der Boss in seiner langsamen Weise. »Sehen Sie, wir haben alles unter uns besprochen. Wir wissen, wie es um Sie steht. Nun ja, wenn Sie an Stelle von Antoine einspringen würden … Verflucht noch einmal, was rede ich! Stehen Sie nicht herum und schauen Sie mich nicht so an! Hören Sie zu, August, was ich sagen möchte … Tja, das ist – wir möchten keine alten Wunden aufreißen. Verstehen Sie mich?«
    August fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er nahm die beiden großen Hände des anderen, hielt sie behutsam in den seinen und floß, ohne ein Wort zu sprechen, über vor Dank.
    »Lassen Sie mich heute auftreten«, bettelte er. »Ich bin der Ihre, so lange Sie wollen – eine Woche, einen Monat, sechs Monate. Es würde mir Spaß machen. Das ist die Wahrheit. Sie werden nicht nein sagen?…«
    Einige Stunden später saß August vor dem Spiegel und studierte sein Gesicht. Es war eine Gewohnheit von früher her, vor dem Schminken lange auf sein Widerbild zu starren. So bereitete er sich für den Auftritt vor. Er betrachtete seine triste Erscheinung und begann dann plötzlich dieses Gesicht fortzuwischen, ein neues überzustreichen, eines, das alle Welt kannte. Das Gesicht Augusts! Den wahren August kannte freilich niemand, nicht einmal seine Freunde, denn der Ruhm hatte ihn zum Einsiedler gemacht.
    Wie er so saß, überwältigt von der Erinnerung an tausend ähnliche Nächte vor dem Spiegel, fing er an zu begreifen, daß jenes abseitige Leben, das er eifersüchtig als sein alleiniges Eigentum bewacht hatte, diese heimliche Existenz, die scheinbar den innersten Kern seines Wesens bewahrte, letzten Endes kein Leben war, daß sie ein Nichts war, nicht einmal der Schatten eines Lebens. Zu leben begonnen hatte er erst an jenem Tage, an dem er sich der Truppe anschloß, in dem Augenblick, als er zu dienen begann als der Letzte und Einfachste unter ihnen. Jenes heimliche Leben hatte sich verflüchtigt, fast ohne daß er es merkte; er war wieder ein Mensch geworden wie andere, mit allen Narr heiten, Tändeleien und Bedürfnissen den anderen gleich – und er war glücklich geworden auf diese Weise, seine Tage waren erfüllt. An diesem Abend würde er nun nicht als August erscheinen, nicht als der weltberühmte Clown, sondern als Antoine, von dem niemand wußte. Weil ihm weder Name noch Ruf vorausgingen, nahmen sie Antoine jeden Abend als Selbstverständlichkeit hin. Kein donnernder

Weitere Kostenlose Bücher