Urgum der Barbar
setzte.
Widerwillig kam Molly auf das Bett zu, setzte sich aber möglichst weit von ihm entfernt mit einem unbeholfenen Plumpsen.
»Komm her«, sagte Urgum wieder.
Molly rutschte ein Stückchen näher, verschränkte dann ihre Arme und starrte ihre Knie an.
»Äh... ähem.« Urgum räusperte sich ziemlich verlegen. Mollys Kopf bewegte sich zwar nicht, doch ihre Augen wanderten kurz zu ihm. Er hatte etwas vor, aber sie wusste nicht, was.
»Hör zu, Molly«, sagte Urgum. »Ich weiß, das ist vielleicht ein bisschen blöd, aber...«
»Es ist blöd.«
»Ja, okay, ist es«, sagte Urgum. »Aber, also, ich habe gerade gedacht: Ich wollte nie eine Tochter haben, aber ich bin froh, dass ich dich habe.«
»Obwohl du denkst, dass ich ein kraftloses Mädchen bin und nie eine anständige Barbarin werden kann?«
»Wie gesagt, ich bin froh, dass ich dich habe.« Molly wandte Urgum ihr Gesicht zu, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Mund zitterte. Einen Augenblick später schüttelte sie den Kopf, straffte die Schultern und antwortete: »Also, wenn wir schon dabei sind, dann ist es wohl auch so, dass ich, wenn ich schon einen Vater haben muss, ganz froh bin, dass du das bist. Obwohl du fett und selbstsüchtig bist.«
Sie streckte den Arm aus und stupste ihn in die Rippen. Und ehe Molly wusste, wie ihr geschah, richtete Urgum sich auf und gab ihr schnell einen Kuss auf die Stirn. Mollys Herz schlug vor lauter Aufregung so heftig, dass es fast ihren Brustkorb durchbrach.
»Warum schaust du denn so?«, fragte Urgum, der versuchte, so zu tun, als wäre gerade nichts Ungewöhnliches passiert.
»Nur so«, sagte Molly und schaute ihn dabei weiterhin an, als wäre ihm gerade ein Strauß Blumen aus dem Ohr gewachsen.
»Dann haben wir also einander«, sagte Urgum.
»Ja, Papa.«
Damit schwang Urgum langsam und voller Schmerzen die Beine über die Bettkante und stellte sich wackelig auf die Füße. Mit einer Hand stützte er sich an der Höhlenwand ab und zwang sich ein paar schwankende Schritte zu machen, aber dann TONG! Er stieß mit den Zehen gegen den Axtkopf, aber diesmal spaltete er sie glücklicherweise nicht mitten durch. Stattdessen stolperte er auf Molly zu, die schnell aufsprang und seinen starken Arm um ihre Schultern legte, um ihm Halt zu geben. Zusammen hoben sie die mächtige Axt auf und schafften es mit großer Anstrengung, sie auf den Haken an der Wand zu befördern. Urgum stützte sich immer noch auf Molly und machte einen Schritt zurück, um sie zu bewundern.
»Keine aufgeschlitzten Zehen mehr.« Er seufzte zufrieden. »Das ist ein sehr schönes Geschenk, Molly.«
Immer noch auf seine Tochter gestützt, nahm er eine flammende Fackel von der Wand. Keinem von beiden fielen die zwei kleinen Flammen auf, die sich der großen Flamme anschlossen.
»Was hast du vor, Papa?«
»Wir haben was zu erledigen!« Urgum ging mühsam auf den Torbogen zu.
»Ich habe gedacht, du wolltest dich aufmachen, deine dankbaren Götter zu treffen«, sagte Molly, als sie gemeinsam den Flur entlanghinkten.
»Die werden warten müssen«, zischte Urgum zwischen zusammengebissenen Zähnen. Einige seiner Wunden waren wieder aufgeplatzt und fühlten sich ziemlich offen an, aber in seinen Augen leuchtete ein eigensinniger Funke, als er Molly ins Wohnzimmer lenkte. »Komm schon! Du und ich müssen diesen traurigen Leuten zeigen, wie wahre Barbaren feiern.«
»Du meinst, wir werfen Äxte und rülpsen Feuer?«, fragte Molly aufgeregt.
»Allerdings!«, sagte Urgum, dankbar für die stechenden Schmerzen, die ihn mit jedem schmerzhaften Schritt auf den Höhleneingang zu wacher werden ließen.
»Und auch Bären zerpflücken?«
»Absolut«, sagte Urgum.
»Ehrlich?«, keuchte Molly freudig. »Und das meinst du ernst? Ich darf auch?«
»Was ist denn los?«, fragte Urgum.
»HAST DU SCHISS?
NÖ!
KÜMMERT’S DICH?
NÖ?
WiR SiND VÖLLiG
IRRE!«,
riefen beide zusammen, als sie hinaustraten in die Nacht.
Über Urgums Kopf ertönte ein mächtiges Grollen, als die Flamme der Fackel plötzlich wie ein Kometenschweif gen Himmel schoss. Das ganze Felsental erstrahlte in durchdringendem orangen Licht, als die Götter in die Heiligen Hallen von Sirrus zurückkehrten, um zu feiern. Urgum war wieder am Leben und bald würde es einen weiteren wahren Barbaren geben. Letzten Endes war es doch gar kein schlechter Streich gewesen.
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