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Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)

Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)

Titel: Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nizon , Wend Kässens
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in Leben, kostet mich viel. Viel an Zuwarten, Wandern, Einsatz und Magie. Viel an Leben. Lebenseinsatz. Mein Hervorbringungskreuz. Mein Lebenskampf gilt nur dieser Sprachwerdung, Formwerdung, Rettung.
    Und darum verachte ich all die kleine Verbrauchskunst, so amüsant oder bestechend und interessant sie auch sein mag und dies in allen Bereichen, auch im Film und in der Musik, selbstredend. Und warum ich in diesen Belangen so unbelehrbar und halsstarrig bin, erklärt sich aus diesem Anspruch. Kunst ist unteilbar.
    Ich möchte DAS LEBEN schreiben, ich möchte es jedoch im Schreiben gewinnen und nicht verraten, verschachern. Ich möchte es durch das Prisma einer heutigen Existenz, das heißt ganz und gar aus meinem eigenen Erfahrungsbereich gefischt und gefiltert, jedoch gleichzeitig abgelöst von mir: gültig und insofern göttlich, als es die Schöpfung tradiert.
    Die Schwierigkeit und das Kreuz meiner Hervorbringungsart besteht darin, daß ich es aus den eigenen Schlammgebieten hervorholen muß (vom Unglück beglaubigt) und dann in einem Reinigungskraftakt läutern, das heißt auch veräußeren muß. Mein Kampf gilt dieser Lebensrettung.
    Lebensstiftung? Während Handke sich auf einen Heilsweg begibt, um eine gemeinschaftswürdige alte gültige Ordnung im Wüsten nicht nur zu entdecken, sondern wiederzuentdecken und dadurch ein Sehen, dessen Originalität in der eigenen Beschädigung und dementsprechenden anfänglichen Sprachlosigkeit besteht, in neue Worte zu stanzen. Er befindet sich auf einer Heilssuche, und was er anstrebt, ist eine heile Welt.
    Seine Bücher sind Wegbeschreibungen auf der Heilssuche. Meine Sache ist das Erinnern der Gegenwart und deren Auferstehung in Sprachinseln, die im Licht des Wunderbaren stehen. Mein Weg ist auch die Erschreibung meines Lebens als Roman. Dieser soll exemplarisch sein. Ich schreibe mir ein Leben zu.

    4. Juni 2000, Paris
     
    Zurück aus Japan und immer noch durch die Zeitverschiebung in bleierner Müdigkeit. Als ich heute, Sonntagmorgen, auf den Markt Rue de Seine schlenderte, dachte ich, übrigens wie unmittelbar nach der Ankunft in Paris, bei den ersten Schritten draußen, geradezu trunken von der Schönheit der Stadt, der wiedergefundenen:
    Es ist mein Traum von Paris, der mich wieder in sich aufnimmt, und es ist der Traum meines eigenen Pariser Romans, der mir wieder zufließt, mein Lebensroman hier. Und es ist aufgrund dieser Personalunion, Fiktion, Erfindung, daß ich so sehr verunsichert und in Frage gestellt werde, wenn ich mich dem schweizerischen oder deutschen Literaturbetrieb aussetze oder auch nur annähere, der Kollegenwelt. Ich aber muß meinen Traum immer von neuem zusammenflicken, um fliegen zu können, wie es im Bauch des Wals geschrieben steht. »Weil alle Haie und Hunde danach schnappen, sie sind scharf darauf …« Es ist diese meine ganz andere dichterische Prädisposition, die mich verletzlich macht. Ich sagte immer, ich müsse mich gewissermaßen als der einzige Dichter auf Erden empfinden können.
    Das wenige, das ich geschrieben und als Werk vorliegen habe, beruht auf dieser Prämisse meines Poetenlebens, das ein Postulat oder auch ein Wahn sein mag, doch sind sie es, die mich ausschicken, meinen Roman am Leben zu erhalten, der Roman muß weitergehen, ohne diese Selbsterfindung ist kein Schreiben möglich. Und in diesem Sinne bin ich ein Ichgefangener oder abseitiger Träumer und eben kein Geschichtenerfinder. Ich denke, daß es an dieser meiner fragilen schöpferischen Kondition liegt, daß möglicherweise Odile mit meiner Dichtung im tiefsten nichts anfangen kann oder daß sie zumindest nicht teilhaben und daran partizipieren kann. Nun, es ist meine Obsession, mein Fall, mein Sonderfall, meine Selbstverstrickung, meine Fessel und die Ursache meiner letztlichen Unzulänglichkeit als Partner.
    Es ist der Grund meiner Themenlosigkeit und notorischen Blockaden. Es muß ihr nur verwunderlich erscheinen, daß immerhin immer mehr Interesse von außen auf mich zukommt, um von der französischen Anerkennung ganz zu schweigen. Hier ist der Grund für unser Unglück als Lebenspartner, das ich darin erblicke, daß ich mich im Eigensten und Wertvollsten unverstanden oder gar verachtet fühle, während sie sich wohl einen Mann wünschte, der seine Arbeit unternehmerisch und weniger selbstverstrickt verrichtet und dazu als Mann und Vater gewandt und teilnehmend agiert. Wir sehen oder starren uns verbittert von weit auseinanderliegenden Felsen an und hegen

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