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Vaethyr - Die andere Welt

Vaethyr - Die andere Welt

Titel: Vaethyr - Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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immer bei mir. Ich muss nicht weinen. Sam hat mich gelehrt stark zu sein.«
    »Dann sei stark und komm heute Abend mit uns.« Jessica bannte sie mit einem festen, ernsten Blick. »Wenn nicht deinetwegen, dann tu es für mich und Auberon und Lucas – du musst mitkommen, Rosie.«
    Freias Krone ragte vor ihnen auf, eine dunkle Masse vor dem Leuchten der Sterne. Eine derart klare Nacht hatte Rosie noch nicht erlebt. Der Himmel, als wüsste selbst er, dass diese Nacht etwas Besondereswar, zeigte sich in milchiger Frische und mit der Strahlkraft einer ganzen Galaxie.
    Es war die Nacht der Sommersterne.
    Rosie suchte die Nähe ihrer Eltern, die ihr Sicherheit gaben. Zahllose Elfenwesen waren versammelt. Sie spürte deren Anspannung, das zarte Rascheln ihrer Kleider. Die Farben waren dunkel: Schwarz, dunkles Saphirblau, Weinrot. Rosie hatte sich für ein langes Kleid aus schwarzem Samt entschieden, mit einem eng anliegenden Mieder und pflaumenrotem Satinfutter, das unter dessen schwarzer Spitze durchschimmerte. Ihr Haar fiel lose um ihre stilisierte Fuchsmaske, die mit Gold, Kupfer und Rubinen geschmückt war. An ihrem Hals glänzte der blutrote, herzförmige Kristall, den Sam ihr an jenem letzten gemeinsamen Tag in Birmingham gekauft hatte. Von Jon war nichts zu sehen, vielleicht fühlte er sich dem doch nicht gewachsen.
    Eine gespannte Erwartung bemächtigte sich ihrer. Das inzwischen längst verheilte Brandmal auf ihren Rippen brannte plötzlich, als würde es sie zu den Toren ziehen.
    Ihre Masken waren neu: aus Blattmetall, verziert mit hypnotischen Schnörkeln aus Emaille und Kristall. Die Kunsthandwerkerin Peta Lyon hatte sie angefertigt: Füchse, Meerschlangen, Vögel und die gesamte Menagerie ihrer Verwandtschaft. Sie brauchte die Gesichter ihrer Eltern oder die von Matthew und Faith nicht zu sehen, um deren Anspannung und Nervosität zu spüren.
    In aufrechter Haltung vor den Felsen stehend war Lucas, der einen grauen Samtfrack zu anthrazitfarbenen Hosen trug, eine prächtige Erscheinung. Sein unmaskiertes Gesicht leuchtete unter seiner dunklen Haarpracht. Iola, die ihm gegenüber das Portal flankierte, war von schauriger Exotik: eine schlanke Bronzesäule in goldenem Gespinst. Rosie kam nicht umhin, dieses unbekannte Geschöpf, das ihren Bruder an sich gebunden hatte, noch immer mit Argwohn zu betrachten.
    »Heute Abend versammeln wir uns, um die Nacht der Nächte zu feiern«, sagte Luc so leise, dass ihm jemand zurief, er möge lauter sprechen. Mit größerem Selbstvertrauen fuhr er fort: »Die Nacht der Sommersterne. Eine Zeit, um Vertrauen und Freundschaft zwischen Vaethyr und Aelyr und Frieden zwischen den Elfenwesen aller Reiche,der inneren sowie der äußeren, zu feiern. Aus Respekt vor Lawrence werden die Tore nicht weit aufgerissen, sondern nur ein Weg nach Elysium geöffnet werden. Während ihr hindurchgeht, denkt an jene, die vor uns hindurchgegangen sind, und lasst alle Wunden heilen.«
    Er besaß keinen Zeremonienstab und schlug deshalb mit seinem Absatz gegen den Fels. Das Knirschen von Stein gegen Stein setzte ein. Rosie musste an Brawth denken und bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Eine dunkle Öffnung tat sich auf. Nichts Grauenhaftes kam hindurch, nur das atmosphärische Rauschen zweier sich schneidender Reiche – Schattenreiche und Elysium. Überall um Rosie herum wurden Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, und sie merkte, dass sie zitterte.
    »Der Weg ist offen«, sagte Lucas und erntete von den versammelten Vaethyr Beifallsklatschen, getragen von einer Woge der Freude.
    Auberon und Jessica führten die Prozession an, der Rest schloss sich an. Lucas lächelte Rosie zu, als sie hindurchging; Iola hielt eine Glasschale mit Haselnüssen, dem Symbol der Passage in die Anderswelt. Rosie genoss das würzig süße Knirschen auf ihrer Zunge. Es half ihr, sich der Dunkelheit und dem Druck der Steinwände, die sie umgaben, entgegenzustemmen. Doch sie konnte nicht widerstehen, beim Durchgehen mit ihren Fingern über die Wände zu streichen und die in sie geschnittenen Sigillen zu liebkosen.
    Als sie aus dem Portal heraustraten, öffnete sich Elysium und begrüßte sie mit einem Himmel, der so weit war, dass man sich auf einem Klippenrand wähnte, kurz davor, vom Universum verschlungen zu werden.
    Sie verharrte in wortlosem Staunen. Von hinten rempelte sie jemand an und erinnerte sie daran, weiterzugehen, aber sie konnte sich nicht vom Anblick des Himmels losreißen. Es war der um ein Vielfaches

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