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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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    Lucas hielt sich im Wintergarten auf dem Dach auf und presste seine Stirn gegen die Scheibe. Das Ereignis auf dem Dachboden hatte ihn aufgewühlt zurückgelassen. Er war noch einmal hochgeschlichen, hatte aber niemanden dort angetroffen. Jetzt traute er sich nicht mehr dorthin zurück, aus Angst vor dem, was er vorfinden oder nicht vorfinden könnte. Hatte er sich in eine Halluzination verliebt? Wenn ja, dann hatte er, ohne es zu bemerken, den Verstand verloren. Hatte Lawrence dies etwa heraufbeschworen in der Absicht, ihn auf diese Weise an Stonegate zu binden? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: Er musste Lawrence fragen, was er über Iola, die Wächterin, wusste und dabei auf seine Reaktion achten. Falls aber Iola wirklich real war, würde Lawrence ihn sicherlich fragen, woher er von ihr wusste. Und damit brächte er sie in Gefahr.
    Seine Verwirrung verwandelte sich in Verzweiflung. Er hatte geglaubt, ein wunderbar lebendiges Geheimnis in seiner Gruft entdeckt zu haben. Das sich dann jedoch als Staub entpuppte oder als grausamer Scherz. Die Landschaft lag in samtigem Grün unter ihm, er aber war von ihr ausgeschlossen. Den ganzen Tag hatte er Musikfetzen und Lautsprecheransagen gehört, die aus dem Tal herauftönten. Er hatte dazu nur höhnisch gegrinst, doch jetzt wäre er gern Teil davon. Er und Rosie, mit einem Eis in der Hand im Schlepptau ihrer Eltern, wieder Kinder.
    Als die Dämmerung hereinbrach, sah er die Prozession die Einfahrt heraufkommen. Bei diesem Anblick löste sich seine Starre. Wieso zum Teufel strömten plötzlich ein paar Hundert Leute nach Stonegate? Sie waren wohl betrunken. Das konnte nur ein dummer Scherz sein, aber Lawrence würde einen Tobsuchtsanfall kriegen.
    Lucas nahm nur eine schattenhafte Masse wahr, die Lichter trug. Eine Horde von Dörflern mit brennenden Fackeln kam, um den Unhold aus dem Schloss zu vertreiben – dieses Bild bot sich an, doch dahinter lauerte etwas viel Dunkleres. Als sie auf gleicher Höhe mit den Mauern unter ihm waren, sah er, dass sie verkleidet und maskiert waren. Eine in Hirschhaut gehüllte Gestalt versuchte in symbolischer Flucht mit schwankendem Geweih hierhin und dorthin auszubrechen. Die Jäger mimten die Verfolger.
    Verwirrt schaute Lucas zu. Menschliche Beobachter sahen darin mit Sicherheit nur inszenierte Folklore, aber das war es nicht. Es hatte eine finstere, verborgene Bedeutung. Was immer es auch war, unterhaltsam würde es nicht sein.
    »Lawrence!«, rief er und rannte durch verlassene Räume, bis er die Galerie erreichte.
    Lawrence war bereits auf dem Weg nach unten. Er querte den großen Saal und schaltete dabei die Beleuchtung an. Luc folgte ihm alarmiert. Als sie die Diele betraten, drang höllischer Lärm durch die Tür, ein gedämpftes Geheul wie Hundegebell. Durch die Fensterscheiben sahen sie die Meute, die sich in der halbmondförmigen Einfahrt vor dem Portikus versammelt hatte. »Was wollen sie?«, fragte Luc.
    Lawrence’ Gesicht war steinern. »Verräter«, zischte er leise. »Dann also das.«
    Lucas sah den vom Vorbau gerahmten Hirsch, der sich umwandte, um sich seinen Verfolgern zu stellen, indem er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete, während diese ihn in Schach hielten. Er sah den rot gewandeten Jäger einen Langbogen anheben und zielen. Der Pfeil flog. Der Hirsch neigte seinen vom Geweih gekrönten Kopf und ging zu Boden, wobei er mit einem gewaltigen Schlag gegen die Türen prallte. Lucas sprang auf. Die Türen bebten.
    Lawrence’ Hand drehte den Schlüssel und zog die Riegel zurück.
    »Nein, nicht!«, schrie Lucas.
    »Ich muss«, sagte Lawrence.
    Er zog die beiden Türen weit auf. Licht fiel nach draußen. Lucas sah Dutzende glühende Augenpaare auf sich gerichtet, rot wie die Augen wilder Hunde. Nur der Jäger hatte ein menschliches Gesicht, das nur eine einfache schwarze Maske verhüllte, und er hielt ein riesiges gebogenes Messer in seiner Hand.
    Als Lawrence die Tür öffnete, hob sich das gewaltige Schlachtermesser des Jägers und senkte sich. Blut spritzte. Der Hirsch brach in einer roten Lache zusammen. Einen Herzschlag lang erstarrte die Szene zum Tableau vivant. Und in diesem kurzen Augenblick, als alle reglos verharrten, erkannte Lucas in dem roten Jägersmann seinen Onkel Comyn.
    Ausdruckslos starrte Lawrence vor sich hin. Keuchend und mit wildem, trotzigem Blick sah Comyn ihn an. »Aus«, sagte er. »Es ist aus mit dir, Lawrence Wilder.«
    »Was zum Teufel soll das?«, fragte

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