Valeron der Barbar
durch eine Verneigung für das Kompliment. »Ich erinnere mich, Sire, dass Va … dass Lord Valeron von den Sungoli aufgezogen wurde – von gelbäugigen Tieren, die vortäuschen, Menschen zu sein. Ich erinnere mich, wie er von ihnen lernte zu plündern, zu schänden und grausam zu sein. Ein Ungeheuer von Mann ist er, ein kampfsüchtiger Kriegslord, mit den Manieren von Wilden und dem Misstrauen eines Raubtiers aus tiefster Wildnis.«
Velquen hatte sich wie sprungbereit in seinem gewaltigen Thron aufgerichtet. Brennende Wut funkelte in seinen Augen. Darcus Cannu erkannte, dass er zu weit gegangen war. Er hätte warten und subtiler vorgehen sollen! Nur einen Herzschlag begegnete er den grimmig blitzenden grauen Augen, dann senkte er seinen Blick – nicht aus Angst, sondern weil sein Verstand es ihm riet.
Er vernahm das laute Seufzen des Kaisers, sah seine Hand den Bart streichen, und wusste aus langer Erfahrung, dass er sich bemühte, seinen Zorn zu unterdrücken. Das war Selbstbeherrschung, wie sie seiner nahe kam, doch nie gleichwertig sein würde.
Velquen car Velden hatte Selbstbeherrschung gelernt, der Not gehorchend, als er den Thron bestiegen hatte, nachdem er dem Tod seines Vaters Velden folgend, den Mann besiegte, der ihn ihm hatte streitig machen wollen. Vielleicht würde der Barbar sie genauso gewinnen – aus Notwendigkeit –, doch zu welchem Preis inzwischen? Die unerlässliche Selbstkontrolle eines Mannes, der ein kriegerisches Volk auf fernen Welten regierte, die vor Jahrhunderten aufgegeben worden oder verloren gegangen waren – konnte ein Mann wie Valeron sie schnell genug erlernen? Seit sechzehn Jahren herrschte Frieden zwischen Carmeis und seinen angeschlossenen Welten, und innerhalb des Rates der Könige. Saldon, das wusste Darcus Cannu, und es beunruhigte ihn, verfügte über die gleiche Selbstbeherrschung wie er – und außerdem über eine Intelligenz, der es nicht an gesundem Menschenverstand und Schläue mangelte.
Weiter stieß der Premierminister mit seinen Überlegungen vor. Seit Jahren war ihm klar, dass er fähiger und geeigneter war zu herrschen als Velquen, nur war er dessen größerer Stärke und Persönlichkeit unterlegen, genau wie Saldon in diesen Beziehungen Valeron. Er, Darcus Cannu, war ein wahrer Herrscher!! Aber dieser Barbar, dieser rüpelhafte Primitivling verdiente weder Aleysha noch den Thron und würde ihnen in aller Wahrscheinlichkeit auch keine Ehre machen.
Darcus Cannu wartete ab. Er stand in straffer Haltung. Schweiß rann über seinen Rücken unter der roten Robe. Immer trug er Rot, denn er war in vergilbten Schriften auf etwas gestoßen, von dem Velquen nichts wusste: nämlich, dass in alter Zeit Purpur die Farbe der Herrscher gewesen war, nicht Seegrün. Er wartete, und der Kaiser sprach. Seine Stimme war wieder völlig ruhig, nachdem er seinen Zorn überwunden hatte. Cannu hatte schon vor langer Zeit gelernt, in einem solchen Fall zu schweigen, bis Velquen seine Gefühlsaufwallung unterdrückt hatte.
»Ja«, sagte er, und sein Minister hob langsam den Kopf.
Velquen lehnte sich wieder zurück und blickte die lange Reihe weiblich gestalteter Säulen entlang. »Ja, Valeron ist ein Raubtier – ein sehr kluges Raubtier, genau wie ich in seinem Alter – und so muss es sein. Ihr könnt herrschen, Darcus, aber Ihr könntet Euch ein Reich weder erobern noch es halten. Entsinnt Ihr Euch, alter Freund, als ich diesen verdammt unbequemen Thron bestieg? Ich war inzwischen klug genug, auf weisen Rat – auf Euren Rat, Darcus – zu hören. Und ich glaube, denkt an meine Worte, Freund, Valeron ist es ebenfalls. Vorher hatte es nur den Kampf, den Krieg, für mich gegeben, so, wie es bei Valeron der Fall ist – oder war? Nur ein Mann mit den Sinnen eines Raubtiers konnte sich aus den Reihen der Sungoli erheben, sie besiegen und beherrschen – und die wilden Branarier, die bisher nur ergebene Treue gegenüber ihrem eigenen kleinen Stamm kannten. Für Saldon würden sie nur Hohn empfinden, genau wie für Euch oder den jungen Jallad von Nyor mit seinem Interesse für die alte Lehre von Wisensa. Es genügt nicht, einen Thron zu gewinnen – oder ihn sich zu nehmen. Man muss ihn auch halten können. Nennt mir doch einen besseren Schwiegersohn, Darcus … Nein, lieber nicht. Uns mangelt die Zeit, eine ganze Liste durchzugehen und jeden Namen abzuhaken. Und noch etwas, Darcus, etwas, das von keiner geringen Bedeutung ist – Aleysha selbst.«
Velquen las die Frage in Cannus
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