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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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Sorgen und erdachte unsere Flucht, schmiedete Plan um Plan, den ich sofort verwarf. Wie sollten zwei schutzlose Mädchen durchs Leben kommen? Ich betete mehr denn je, doch meine Wünsche wurden nicht erfüllt. Tot umfallen sollten sie, alle beide. Doch solche Gebete werden selten erhört.
    Ich war verzweifelt. Ich wollte meiner Schwester helfen. Alles hätte ich für sie getan. Aber es schien, als ob es niemanden gab, der etwas für uns tat. Zu allen Sorgen stellte ich noch etwas Entsetzliches fest: Salvador war abgereist, ohne sich von mir zu verabschieden. Hatte ich ihm in meinen kühnsten Träumen immer die Rolle als Retter zugeteilt, war mir jetzt klar, dass ich nicht auf seine Hilfe zählen konnte.
     
    Die Tage vergingen im gleichen, eintönigen Lauf. Die Männer feierten bis in die Nacht. Vormittags wurde alles aufgeräumt und frische Speisen für den Nachmittag vorbereitet. Lisette wurde jeden Abend in den Saal befohlen, wo man sie vorführte. Ich gab mir jede erdenkliche Mühe, sie herauszuputzen. Vielleicht konnte ich auf diese Weise Almadars Interesse im Keim ersticken. Ich dachte mir, wenn sie jetzt doch aussähe wie ein herausgeputztes Püppchen, würde sie ihn langweilen. Auch dieser Plan schlug fehl. Er war begeistert.
    »Konnte man erst nur erahnen, welche Zartheit sie besitzt, sind es jetzt ihr Anmut und Liebreiz, die meine Sinne benebeln.« Mir sank das Herz zu Boden.
    Die Mägde in der Küche machten sich über ihn lustig und äfften ihn nach. »Bei dem ist ganz was anderes benebelt«, meldete sich die Köchin zu Wort und alles lachte.
    Der Graf wurde unwillig und beschloss, mit seinem Besuch auf die Jagd zu gehen. Ich war erleichtert. Wenn sie erst weg waren, fand ich vielleicht doch eine Möglichkeit zur Flucht. Die Köchin, die ahnte, was in meinem Kopf vor sich ging, redete mir jeden Plan aus. Allerdings war kaum Zeit zum Überlegen. Der Graf hatte uns genug zu erledigen gegeben. Die Aussteuerkisten waren zu packen und Lisette brauchte neue Kleidung. Es wäre ein Festtag gewesen, als die Schneiderinnen aus dem Dorf kamen. Doch so stand Lisette wie eine Schneiderpuppe da. Sie antwortete nicht auf die Fragen, welchen Stoff sie bevorzugte, welche Art Knöpfe, welche Bänder. Normalerweise hätte sie die Frauen in den Wahnsinn getrieben. Ich war sicher, sie hätte sich nicht entscheiden können und alle Augenblicke ihre Meinung geändert. Selbst die Schneiderinnen, die noch am ersten Tag schnatternd und scherzend Maß genommen hatten, verstummten und nähten verdrießlich vor sich hin.
    Selbst mit mir sprach sie nicht. So entschied ich alles für sie und hoffte, ihren Geschmack zu treffen. Wenn es nachts ruhig wurde, erzählte ich ihr Geschichten von Prinzessinnen, die gerettet wurden. Ich hatte meine Hoffnung, dass uns jemand zu Hilfe kam, noch nicht aufgegeben. Ein anderer Gedanke machte mir außerdem zu schaffen. Würden Lisette und ich getrennt werden? Ich hoffte, dass der Graf so viel Anstand besaß, mich mit auf die Reise zu nehmen. Was, wenn er selbst Lisette zum Hofe seines Freundes geleitete? Oder ließ er Lisette allein mit ihrem Mann?
    Als man Lisette das Hochzeitskleid anzog, um die letzten Änderungen vorzunehmen, fiel sie in Ohnmacht. Aus dieser erwacht bekam sie in der Nacht hohes Fieber. Es war, als wollte ihr Körper den Gedanken an das Schreckliche ausbrennen. Kein Hausmittel half. Ihre Wangen waren rot, die Lider flatterten. Ich streichelte ihre Hand und musste mich beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen. Ich hatte schon eine Schwester ans Fieber verloren.
    »Ich möchte den Himmel sehen.« Lisette hatte die Augen geöffnet und sah durch mich hindurch. Sie sprach im Fieberwahn, versuchte ich, mich zu beruhigen. Ich war nicht sicher, wie sie es meinte, aber mir wurde angst und bange. Ich hob Lisette hoch, hüllte sie in Decken und trug sie auf den Hof. Die Dezembernacht war sternenklar. Erneut schlug sie die Augen auf und sah hinauf.
    »Ich wäre gern ein Stern«, murmelte sie.
    »Du bist mein Stern. Ich lasse nicht zu, dass meinem kleinem Stern Leid geschieht.«
    Ein Ruck ging durch Lisettes Körper und sie sah mich vorwurfsvoll an. Es war ihr erster klarer Blick seit Tagen. »Lassen wir das dumme Reden. Ich bin diesem Mann versprochen und daran können wir nichts ändern.«
    Ich fühlte ihre Stirn, da ich befürchtete, das Fieber wäre weiter gestiegen. Zu meiner Überraschung war sie kühl. »Ich werde mich fügen, aber ich werde darum bitten, dass du mitkommen darfst.«

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