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Anfang haben Unternehmen des Vanger-Konzerns zur Unterstützung Annoncenseiten gekauft. Aber es sind schon zwei alte Anzeigenkunden - ein Handyanbieter und ein Reisebüro - zurückgekommen.« Er lächelte breit.
»Bei Wennerströms alten Feinden ziehen wir die Kampagne ein bisschen persönlicher auf. Und glauben Sie mir eins, diese Liste ist lang.«
»Haben Sie was von Wennerström gehört?«
»Na ja, nicht wirklich. Aber wir haben durchsickern lassen, dass Wennerström einen Boykott gegen Millennium organisiert. Das lässt ihn ziemlich kleinkariert dastehen. Ein Journalist von Dagens Nyheter soll ihn danach gefragt und sich eine abweisende Antwort eingefangen haben.«
»Sie genießen das.«
»Genießen ist das falsche Wort. Ich hätte mich schon vor ein paar Jahren mit dieser Sache beschäftigen sollen.«
»Was ist da eigentlich gewesen zwischen Ihnen und Wennerström?«
»Versuchen Sie es erst gar nicht. Sie werden es zu Beginn des neuen Jahres erfahren.«
Es lag ein angenehmer Frühlingshauch in der Luft. Als Mikael gegen neun Henriks Haus verließ, war es draußen schon dunkel. Er zögerte kurz. Dann ging er zu Cecilia und klopfte.
Er war nicht sicher, was er sich eigentlich erwartete. Cecilia riss die Augen auf, ließ ihn zwar in den Flur treten, wirkte aber so, als sei ihr sein Besuch nicht recht. Sie fragte ihn, ob er ausgebrochen sei, und er erläuterte, wie sich die Dinge verhielten.
»Ich bin nur gekommen, um kurz Hallo zu sagen. Störe ich?«
Sie wich seinem Blick aus. Mikael merkte sofort, dass sie nicht besonders froh war, ihn zu sehen.
»Nein … nein, komm rein. Möchtest du einen Kaffee?«
»Gerne.«
Er folgte ihr in die Küche. Sie drehte ihm den Rücken zu, während sie Wasser in die Kaffeemaschine goss. Mikael ging zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie erstarrte.
»Cecilia, du wirkst nicht so, als wolltest du mich zum Kaffee einladen.«
»Ich habe dich erst in einem Monat erwartet«, sagte sie. »Du hast mich überrascht.«
Er konnte ihr Unbehagen spüren und drehte sie zu sich um, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Sie wollte ihm immer noch nicht in die Augen blicken.
»Cecilia. Vergiss den Kaffee. Was ist los?«
Sie schüttelte den Kopf und holte tief Luft.
»Mikael, ich möchte, dass du gehst. Frag nicht. Geh einfach.«
Mikael ging zu seinem Haus zurück, blieb aber unschlüssig am Gittertor stehen. Statt hineinzugehen, lief er hinunter ans Wasser, neben die Brücke, und setzte sich auf einen Stein. Er zündete sich eine Zigarette an, während er seine Gedanken sortierte und sich fragte, was Cecilias Einstellung zu ihm so dramatisch geändert haben könnte.
Plötzlich hörte er ein Motorengeräusch und sah ein großes weißes Boot langsam unter der Brücke hindurch in den Sund gleiten. Als es vorbeifuhr, konnte Mikael sehen, dass Martin Vanger am Steuer stand, der den Blick konzentriert aufs Wasser gerichtet hielt, um eventuellen Untiefen auszuweichen. Das Boot war eine zwölf Meter lange Motoryacht - ein imposantes Kraftpaket. Er stand auf und ging die Strandpromenade entlang. Plötzlich sah er, dass an verschiedenen Landestegen mehrere Boote im Wasser lagen, sowohl Motor- als auch Segelboote. Darunter befanden sich mehrere Pettersson-Boote, aber auch eine Hallberg-Rassy-Segelyacht. Der Sommer war gekommen. Damit war ihm auch die Klassenaufteilung in Hedebys marinem Leben klar - Martin Vanger hatte ohne Zweifel das größte und teuerste Boot in der Gegend.
Er blieb unterhalb von Cecilias Haus stehen und guckte zu den erleuchteten Fenstern im Obergeschoss hinauf. Dann ging er nach Hause und setzte Kaffee auf. Er blickte in sein Arbeitszimmer, während er darauf wartete, dass das Wasser kochte.
Bevor er ins Gefängnis gegangen war, hatte er den Großteil von Henrik Vangers Dokumentation zu Harriet wieder hinübergetragen. Es schien klüger zu sein, die Ordner nicht über längere Zeit in einem leeren Haus zu lassen. Jetzt gähnten ihn die leeren Regale an. Alles, was er von der Untersuchung noch bei sich hatte, waren fünf von Henrik Vangers eigenen Notizbüchern, die er nach Rullåker mitgenommen hatte und mittlerweile auswendig kannte. Und, wie er feststellen konnte, auch noch ein Fotoalbum, das er ganz oben auf dem Bücherregal vergessen hatte.
Er holte das Album herunter und nahm es mit an den Küchentisch. Dann goss er sich Kaffee ein, setzte sich und begann zu blättern.
Es enthielt die Bilder, die an dem Tag aufgenommen worden waren, an dem
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