Verblendung
ist doch verrückt«, sagte Mikael.
»Warum sollte das verrückt sein?«
»Ich habe genug gehört, Henrik. Ich verstehe Ihre Trauer, aber ich möchte auch ehrlich zu Ihnen sein. Was Sie von mir wollen, ist nichts als Verschwendung von Zeit und Geld. Sie bitten mich, die Lösung eines Mysteriums herbeizuführen, an dem Kriminalpolizisten und professionelle Ermittler über die Jahre gescheitert sind, obwohl sie auf viel mehr Erfahrung und bessere Hilfsmittel zurückgreifen konnten als ich. Sie bitten mich, ein Verbrechen aufzuklären, das vor fast vierzig Jahren begangen wurde. Wie soll ich das denn anstellen?«
»Wir haben noch nicht über Ihr Honorar gesprochen«, gab Henrik Vanger zurück.
»Das ist auch gar nicht nötig.«
»Wenn Sie Nein sagen, kann ich Sie nicht zwingen. Aber hören Sie sich an, was ich Ihnen anbieten möchte. Dirch Frode hat bereits einen Vertrag aufgesetzt. Einzelheiten können wir noch verhandeln, aber der Vertrag ist einfach, es fehlt nur noch Ihre Unterschrift.«
»Es ist zwecklos, Henrik. Ich kann das Rätsel von Harriets Verschwinden nicht lösen.«
»Das brauchen Sie auch gar nicht. Alles, was ich will, ist, dass Sie Ihr Bestes tun. Wenn es Ihnen nicht gelingt, ist es Gottes Wille oder - falls Sie nicht an Gott glauben - eben Schicksal.«
Mikael seufzte. Ihm wurde immer unbehaglicher zumute und er wollte seinen Besuch in Hedeby gerne beenden, doch schließlich gab er nach.
»Erklären Sie mir, was Sie wollen.«
»Ich will, dass Sie ein Jahr lang hier in Hedeby wohnen und arbeiten. Ich will, dass Sie den ganzen Untersuchungsbericht zu Harriets Verschwinden durchgehen, Seite für Seite. Ich will, dass Sie alles mit unvoreingenommenen Augen untersuchen. Ich will, dass Sie alle alten Schlussfolgerungen infrage stellen, wie es sich für einen Journalisten gehört, wenn er Recherchen betreibt. Ich will, dass Sie Details nachsehen, die ich und die Polizei und andere Ermittler möglicherweise übersehen haben.«
»Sie bitten mich, für ein Jahr mein ganzes Leben und meine Karriere aufzugeben, um etwas zu tun, das auf völlige Zeitverschwendung hinausläuft?«
Plötzlich lächelte Henrik Vanger.
»Was Ihre Karriere angeht, sind wir uns wohl einig, dass sie momentan doch ziemlich auf Eis liegt.«
Darauf konnte Mikael nichts entgegnen.
»Ich will Ihnen ein Jahr Ihres Lebens abkaufen. Für einen Job. Der Lohn ist besser als für jedes andere Angebot, das Sie jemals kriegen könnten. Ich bezahle Ihnen 200 000 Kronen im Monat, also 2,4 Millionen Kronen, wenn Sie einwilligen und ein ganzes Jahr bleiben.«
Mikael saß stumm in seinem Sessel.
»Ich mache mir keine Illusionen. Ich weiß, dass Ihre Erfolgschancen minimal sind. Aber wenn Sie das Rätsel wider Erwarten doch lösen sollten, verdoppele ich Ihr Honorar auf 4,8 Millionen Kronen. Ach, seien wir großzügig - runden wir’s auf 5 Millionen auf.«
Henrik Vanger lehnte sich zurück und legte den Kopf schief. »Ich kann das Geld auf jedes beliebige Bankkonto in der Welt einzahlen. Oder Sie bekommen das Geld bar in einer Reisetasche, dann können Sie selbst entscheiden, ob Sie es versteuern wollen.«
»Das ist doch … krank«, stotterte Mikael.
»Warum?«, fragte Henrik Vanger ruhig. »Ich bin über achtzig und immer noch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Ich habe ein großes Privatvermögen, über das ich verfügen kann, wie ich will. Ich habe keine Kinder und verspüre nicht die geringste Lust, mein Geld meinen verhassten Verwandten zu schenken. Ich habe mein Testament gemacht: Den Großteil meines Geldes vermache ich dem WWF. Ein paar wenige Personen, die mir nahestehen, bekommen eine ordentliche Summe - zum Beispiel Anna.«
Mikael Blomkvist schüttelte den Kopf.
»Versuchen Sie, mich zu verstehen. Ich bin alt und werde bald sterben. Ich wünsche mir nur eines auf der Welt - eine Antwort auf die Frage, die mich fast vier Jahrzehnte lang gequält hat. Ich glaube nicht, dass ich die Antwort bekommen werde, aber ich habe ausreichend private Mittel, um einen letzten Versuch zu unternehmen. Warum sollte es unsinnig sein, einen Teil meines Vermögens für diesen Zweck zu verwenden? Das bin ich Harriet schuldig. Und ich bin es mir selbst schuldig.«
»Sie bezahlen ein paar Millionen Kronen für nichts und wieder nichts. Alles, was ich tun muss, ist also diesen Vertrag zu unterzeichnen und dann ein Jahr lang Däumchen zu drehen.«
»Das werden Sie nicht tun. Im Gegenteil - Sie werden härter arbeiten als je zuvor in Ihrem
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