Verblendung
weiß, solange unser Magazin existiert, wird es auch eine Redaktion geben, die weiß, was für ein Mensch er wirklich ist.«
»Ich weiß. Ich habe es an den monatlichen Anzeigeneinnahmen fürs letzte halbe Jahr gesehen.«
»Genau. Darum muss ich aus der Redaktion verschwinden. Ich bin ein rotes Tuch für ihn. Ich glaube, er ist geradezu paranoid, wenn es um mich geht. Solange ich noch hier bin, wird er seinen Feldzug fortsetzen. Wir müssen uns auf die dritte Runde vorbereiten. Wenn wir auch nur die geringste Chance gegen ihn haben wollen, sollten wir uns ein bisschen zurückziehen und uns eine neue Strategie zurechtlegen. Wir müssen einen richtigen Hammer finden. Das wird nächstes Jahr mein Job sein.«
»Ich verstehe das ja alles«, antwortete Erika. »Nimm dir Urlaub. Fahr ins Ausland und leg dich einen Monat an den Strand. Recherchier das Liebesleben der spanischen Frauen. Entspann dich. Setz dich in Sandhamn an den Strand und sieh den Wellen zu.«
»Und wenn ich zurückkomme, ist alles wie vorher. Wennerström wird Millennium zermalmen. Das weißt du. Und wir können ihn nur daran hindern, wenn wir etwas finden, das wir gegen ihn verwenden können.«
»Und du glaubst, das findest du in Hedestad.«
»Ich habe die Artikel noch mal durchgesehen. Wennerström hat von 1969 bis 1972 bei Vanger gearbeitet. Er saß im Führungsstab des Konzerns und war für strategische Anlagen verantwortlich. Er hat sehr überstürzt seinen Hut genommen. Wir dürfen die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass Henrik Vanger tatsächlich etwas gegen ihn in der Hand hat.«
»Aber wenn er vor dreißig Jahren etwas gemacht hat, können wir das heute kaum noch beweisen.«
»Henrik Vanger hat versprochen, sich für ein Interview zur Verfügung zu stellen und zu erzählen, was er weiß. Er ist wie besessen von dem Verschwinden seiner Großnichte - das ist anscheinend das Einzige, was ihn noch interessiert, und wenn er Wennerström ans Messer liefern muss, dann wird er es höchstwahrscheinlich tun. Wir dürfen uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen - er ist der Erste, der bereit wäre, öffentlich eine Aussage über diesen ganzen Wennerström-Filz zu machen.«
»Wir könnten das nicht gegen ihn verwenden. Nicht mal, wenn du Beweise bringen könntest, dass Wennerström das Mädchen eigenhändig erwürgt hat. Nicht nach so langer Zeit. Er würde uns vor Gericht massakrieren.«
»An Erwürgen hatte ich auch schon gedacht. Doch leider war er an der Wirtschaftshochschule und hatte keinerlei Verbindung zum Vanger-Konzern, als sie verschwand.« Mikael legte eine Pause ein. »Erika, ich werde Millennium nicht verlassen, aber es muss so aussehen, als ob. Du und Christer, ihr müsst mit dem Magazin weitermachen. Wenn ihr … wenn ihr die Chance habt, ein Friedensabkommen mit Wennerström zu schließen, dann müsst ihr es tun. Und das könnt ihr nicht, solange ich in der Redaktion sitze.«
»Okay, die Lage ist schlimm, aber ich glaube, du klammerst dich da an einen Strohhalm mit deiner Hedestad-Reise.«
»Hast du etwa eine bessere Idee?«
Erika zuckte mit den Achseln. »Wir sollten uns lieber auf die Jagd nach verlässlichen Informanten machen. Die Story von vorne aufziehen. Aber diesmal richtig.«
»Ricky - die Story ist toter als tot.«
Erika legte resigniert den Kopf in ihre Hände. Sie wollte Mikael zuerst nicht in die Augen sehen, als sie anfing zu sprechen.
»Ich bin so sauwütend auf dich. Nicht, weil du eine falsche Story geschrieben hast - ich habe mich ja genauso drauf gestürzt. Und auch nicht, weil du deinen Posten als verantwortlicher Herausgeber abgibst - das ist in dieser Situation ein weiser Entschluss. Ich kann akzeptieren, dass wir es wie ein Zerwürfnis oder einen Machtkampf zwischen dir und mir aussehen lassen. Ich verstehe, warum es klug ist, Wennerström glauben zu lassen, ich wäre die harmlose dumme Blondine und du die eigentliche Bedrohung für ihn.«
Sie hielt inne und sah ihm verbissen in die Augen.
»Aber ich glaube, dass du dich täuschst. Wennerström wird auf den Bluff nicht reinfallen. Er wird weiterhin versuchen, Millennium zu ruinieren. Der einzige Unterschied wird darin liegen, dass ich ab jetzt alleine mit ihm kämpfen muss. Du weißt genau, dass wir dich in der Redaktion jetzt mehr brauchen als je zuvor. Den Kampf gegen Wennerström nehme ich gerne an, aber was mich so sauer macht, ist, dass du einfach das sinkende Schiff verlässt. Du kneifst im brenzligsten Augenblick.«
Mikael streckte
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