Verbotene Liebe im Land der roten Sonne
Grund dafür sein. Er hatte in seinem ganzen Leben niemandem unrecht getan und niemals sein Wort gebrochen. Er war, im besten Sinn, ein Gentleman gewesen.
Alle Männer und die meisten Frauen hatten sich entschieden, den langen Weg vom Haupthaus zum Familienfriedhof der McGoverns zu Fuß zurückzulegen. Der Friedhof lag im Schatten eines seltsamen Sandsteinmonolithen, der etwa dreißig Meter hoch aus der Spinifex-Wüste aufragte. Seit jeher hieß dieser Stein in der Familie Manguri . Es war der Name einer Gottheit der Ureinwohner, denn die gewaltige Steinsäule glich einer Totemfigur, von der es in prähistorischer Zeit weit mehr gegeben hatte.
Wie alle Felsen in der Sandwüste konnte Manguri im Tagesverlauf seine Farbe wechseln: von zartem Rosa in der ersten Morgendämmerung über feuriges Rot zur Mittagszeit bis zu den Malven- und Violetttönen nach Sonnenuntergang. Es war eine eindrucksvolle Naturerscheinung.
Generationen von McGoverns waren im Schatten Manguris begraben worden. Auch Skyes Mutter hatte dort etwas abseits ihre letzte Ruhestätte gefunden, obwohl die Ranchangestellten sonst auf einem anderen Friedhof begraben wurden. Man hatte seinerzeit gemunkelt, Cathy sei eine entfernte Verwandte von Lady McGovern gewesen, aber das Gerücht war nie bestätigt worden.
Als Anwältin hätte Skye die Möglichkeit gehabt, Licht in die Vergangenheit ihrer Mutter zu bringen, aber sie zog es vor, das nicht zu tun. Warum, hätte sie nicht sagen können. Es war mehr ein Gefühl als eine bewusste Entscheidung. Fürchtete sie vielleicht unangenehme Entdeckungen? Das hätte sie nie zugegeben. Höchstens ein gewisses Unbehagen gestand sie sich zu, das sie bewog, die Dinge auf sich beruhen zu lassen.
Nach Meinung ihres Vaters war Cathy eine Waise gewesen, derer sich Lady McGovern aus Freundlichkeit angenommen hatte. Skye war ähnlich unterstützt worden, aber auch andere wurden von den McGoverns gefördert. Die meisten Kinder der Angestellten besuchten die rancheigene Schule und traten anschließend bei den McGoverns in Dienst. Djinjara blieb ihre Welt, und sie wünschten sich nicht fort. Wer jedoch besonders begabt war und Eignung für einen akademischen Beruf zeigte, wurde auf Kosten der Familie erst ins Internat und später auf die Universität geschickt. Drei der so Geförderten waren auch zur Beerdigung von Broderick McGovern erschienen: ein Arzt aus einem Buschkrankenhaus und zwei Ingenieure, die in den großen westaustralischen Zechen arbeiteten.
Keefe hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nach der Beisetzung im Haupthaus erwartet wurde. Skye versuchte, in den weitläufigen Empfangsräumen und der prächtigen, über zwei Stockwerke reichenden Bibliothek möglichst wenig aufzufallen, aber das gelang ihr nicht. Wie üblich zog sie alle Blicke auf sich. Es war ihr Schicksal, niemals in der Menge untertauchen zu können. Die Schönheit, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, machte das unmöglich.
Einige Gäste kannte sie noch aus ihrer Kindheit, aber sie war sich unsicher, ob die Leute sie erkannten. Andere begrüßten sie mit offener Herzlichkeit und machten ihr Komplimente wegen ihres beruflichen Erfolgs und ihres Aussehens. Sie war zwar dem Anlass entsprechend schwarz gekleidet, wusste aber, dass die dunkle Trauerfarbe ihr gut stand. Den breiten schwarzen Hut, den sie auf dem Friedhof getragen hatte, um ihr Gesicht vor der stechenden Sonne zu schützen, hatte sie abgelegt, und der elegante französische Nackenknoten kam jetzt voll zur Geltung. Leider verursachten ihr die Haarnadeln, die ihn festhielten, lästige Kopfschmerzen.
Scott hatte eine dunkelhaarige Begleiterin, die ihm nicht von der Seite wich. Sie sah eher reizlos aus, und ihr schwarzes Kleid war entschieden zu weit, aber dieser Eindruck wurde durch ihre intelligente Ausstrahlung und gutes Benehmen wettgemacht. Jemma Templeton von der Nachbarranch Cudgee Downs. Skye hatte sie ewig nicht gesehen, wusste aber noch, dass sie für Scott seit ihrer Kinderzeit schwärmte.
Rachelle, überschlank, feingliedrig und vornehm, bewegte sich mühelos zwischen den Gästen und nahm ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen wahr. Fast übertrieb sie dabei etwas. Haltung war ihr wichtiger als Gefühl. Sie tat, was von ihr erwartet wurde, solange es nicht um Skye ging. Da versagte Rachelles zur Schau getragene Höflichkeit. Sie hatte Skye längst bemerkt, war aber offenbar entschlossen, sie nur im äußersten Notfall zu begrüßen. Die McGovern-Erbin war schon in
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