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Verbrannte Träume.

Verbrannte Träume.

Titel: Verbrannte Träume. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Ulli aus irgendeinem Grund von der Schule geflogen. Er war vierzehn zu der Zeit, acht Jahre älter als ich, mir kam er richtig erwachsen vor. Jetzt habe ich den Faden verloren, tut mir leid. Ich wollte doch die Geschichte von meinem ersten Fahrrad erzählen. Das ist nämlich der Grund, weshalb meine Eltern Ulli nicht leiden konnten. Es dauerte ein paar Tage, ehe ich mit dem Rad zurechtkam. Anfangs war meine Mutter immer dabei, wenn ich damit hinaus auf die Straße ging. Dann konnte ich alleine fahren, da gab es nur noch die üblichen Ermahnungen.
    »Paß auf! Sei vorsichtig! Bleib an der Seite! Steig vom Rad, wenn du die Straße überqueren willst.«
    An einem Mittwoch nachmittag machte meine Mutter Einkäufe. Ich spielte vor dem Haus, wollte nicht mit. Ulli war auch draußen, saß vor der Haustür seiner Tante. Er hatte ein Kofferradio neben sich und hörte Musik. Ich fand ihn damals schon so faszinierend. Er strahlte etwas aus, eine besondere Art von Ernst oder Überlegenheit. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Aber wenn sich ein sechsjähriges Mädchen ernsthaft verlieben kann, dann habe ich das damals getan. Ulli war mein einsamer Held. Er war immer allein. Die anderen Jungs im Dorf traten nur in Rudeln auf. Ulli hatte keine Freunde, sie waren ihm alle zu dumm. Kleine Dorftrampel, mit denen er sich nicht abgab. Auch von mir hatte er bis dahin noch nie Notiz genommen. Vielleicht wollte ich ihm imponieren, ihn auf mich aufmerksam machen. Ich holte mein Rad aus dem Keller, das heißt, ich versuchte es. Aber ich hatte Schwierigkeiten auf der Treppe. Da kam er herüber. Ich weiß nicht mehr genau, was er sagte. Klappt’s nicht? Oder: Soll ich dir helfen? Er trug mir das Rad die Treppe hinauf. Dann meinte er, es sei ein tolles Rad. Ein richtiges Rad eben, mit Beleuchtung und Rücktrittbremse. Er fragte mich, ob ich auch mit der Handbremse umgehen könne, und schlug mir vor, es unbedingt einmal zu probieren, das sei toll. So richtig mit Schwung die Straße hinunter – sie war ein bißchen abschüssig – und dann die Handbremse ziehen. Ich probierte es aus und flog im hohen Bogen über den Lenker. Schlug mir an der Bordsteinkante ein paar Zähne aus – zum Glück waren es noch Milchzähne – zerschrammte mir das Gesicht und brach mir die Nase. Natürlich erzählte ich meinen Eltern, wer mich zu diesem Kunststück animiert hatte. Von da an war Ulli der schlimme Junge. Von da an hatte er einen verschlagenen Blick. Von da an stand fest, daß es eines Tages ein böses Ende mit ihm nehmen würde. Nicht nur mit ihm, mit jedem, der sich mit ihm abgab. Meine Mutter erzählte mir ein Schauermärchen. Daß er von der Schule geflogen wäre, weil er einen Mitschüler zu einer Mutprobe veranlaßt hätte. Für den Jungen hätte es schlimme Folgen gehabt. Sie hatte diese und ein paar andere Geschichten in der Nachbarschaft gehört, nicht von Ullis Tante.
    »Der Junge kann nie mehr laufen«, sagte meine Mutter.
    »Er hat sich den Rücken gebrochen. Wir können dankbar sein, daß es bei dir nur die Nase war. Es hätte viel schlimmer kommen können. Stell dir nur vor, es wäre in dem Augenblick ein Auto gekommen. Dann wärst du jetzt tot.«
    Vater verbot mir schlicht und einfach, auf die Straße zu gehen, wenn Ulli sich draußen aufhielt, was er den Sommer über fast jeden Tag tat. Er blieb dann bei seiner Tante, seine Eltern kamen noch in dem Jahr bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, und sonst waren keine Verwandten da. Ihn zurück in ein Internat schicken, das wollte seine Tante nicht, obwohl sie das Geld gehabt hätte. Aber Kinder hatte sie nicht, ihr Mann arbeitete auf Montage im Ausland, sie war viel allein und meinte, Ulli brauche eine Familie. Eine Zeitlang ging ich Ulli damals freiwillig aus dem Weg. Ich hatte nach meinem Flug über den Lenker ein bißchen Angst vor ihm. Aber die Schrammen im Gesicht heilten, die Zähne wuchsen nach. Und meine Nase gefiel mir nach dem Bruch sogar etwas besser, sie war nicht mehr so spitz wie vorher. Und eines Tages nahm Ullis Tante mich zur Seite und sagte, er habe das bestimmt nicht mit Absicht gemacht. Er habe nicht gewollt, daß ich mich so böse verletzte. Sie sagte noch etwas, das mir nie mehr aus dem Kopf ging. Ulli habe wahrscheinlich auch nicht damit gerechnet, daß ich so dumm wäre, etwas auszuprobieren, von dem jeder Mensch wisse, daß es ins Auge gehen könnte. Immer wenn mir der Satz einfiel, dachte ich, daß Ulli es vielleicht doch mit Absicht gemacht hatte. Weil er

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