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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Hand gleich wieder zurück; er konnte es ja auch so sehen. Das Blut hatte inzwischen eine große Lache gebildet. Plötzlich bemerkte er auf ihrem Hals eine Schnur. Er zog an ihr, doch sie war zu fest und riß nicht, auch war sie mit Blut durchtränkt. Er versuchte, die Schnur herunterzuzerren, es gelang ihm aber nicht, denn er stieß auf einen Widerstand. In seiner Ungeduld griff er wieder zum Beil, um die Schnur direkt auf dem Körper entzweizuhauen, aber er wagte nicht, es zu tun. Er arbeitete noch einige Minuten, und endlich gelang es ihm, die Schnur zu zerschneiden, ohne den Körper mit dem Beil zu berühren; er beschmierte sich dabei seine Hände und auch das Beil mit dem Blut. Er hatte sich nicht geirrt: da war ein Beutel. An der Schnur hingen zwei Kreuze – eins aus Zypressenholz und eins aus Messing, ein kleines Heiligenbild aus Email und ein kleiner schmieriger Geldbeutel aus Sämischleder mit Stahlbügel und Ring. Der Beutel war ganz vollgestopft. Raskolnikow steckte ihn ein, ohne ihn näher zu untersuchen; die Kreuze warf er der Alten auf die Brust. Dann ging er mit dem Beil in die Schlafkammer.
    Er hatte große Eile. Er nahm wieder die Schlüssel vor, es gelang ihm aber nicht, die richtigen zu finden und die Kommode aufzusperren. Seine Hände zitterten eigentlich nicht, er verwechselte aber immer die Schlüssel, und selbst wenn er sah, daß er den unrichtigen hatte, fuhr er doch fort, mit ihm am Schloß zu hantieren. Dann überlegte er sich, daß der große Schlüssel mit dem zackigen Bart, der neben dem kleineren hing, wohl kaum zu der Kommode, sondern zu irgendeiner Truhe gehörte, in der vielleicht alles verwahrt war. Er verließ die Kommode und kroch unter das Bett, denn er wußte, daß alte Frauen ihre Truhen gewöhnlich unter dem Bett verwahren. Es stimmte: er fand eine ziemlich große Truhe, über einen Arschin breit, mit gewölbtem Deckel, mit rotem Saffian ausgeschlagen und kleinen Stahlnägeln geschmückt. Der zackige Schlüssel paßte sofort. Oben lag unter einem weißen Tuch ein roter Mantel mit Hasenpelzbesatz; dann kam ein Seidenkleid, dann ein Schal; darunter schienen lauter Lumpen zu liegen. Zuerst machte er sich daran, seine blutbefleckten Finger an dem roten Mantel abzuwischen. »Der Mantel ist ja rot, und das Blut wird nicht zu sehen sein.« So überlegte er, und plötzlich kam er zu sich und erschrak: »Mein Gott! Werde ich nicht verrückt?« Kaum rührte er an den Lumpen, als aus dem Mantel eine goldene Uhr hinausglitt. Nun untersuchte er alles sorgfältig: zwischen den Lumpen lagen wirklich viele Goldsachen – Armbänder, Ketten, Ohrringe, Nadeln usw. – wohl lauter verfallene und auch nicht verfallene Pfänder. Einzelne Gegenstände steckten in Etuis, die anderen waren einfach in Zeitungspapier gewickelt, doch sauber und ordentlich verschnürt. Er begann sofort seine Hosen-und Manteltaschen zu füllen. Er wählte nicht und untersuchte die Pakete und Etuis nicht näher. Doch gelang es ihm nicht, viel einzustecken.
    Er hörte plötzlich im Zimmer, wo die Alte lag, Schritte. Er blieb regungslos und hielt den Atem an. Alles blieb still, folglich war es eine Halluzination. Aber plötzlich hörte er einen heiseren Schrei oder ein kurzes Aufstöhnen. Dann war zwei oder drei Minuten lang wieder alles still. Er hockte neben dem Koffer und wartete mit angehaltenem Atem. Plötzlich sprang er auf, ergriff das Beil und lief ins Zimmer.
    Mitten im Zimmer stand Lisaweta mit einem großen Bündel in der Hand; sie betrachtete ihre ermordete Schwester, war weiß wie Kreide und schien nicht die Kraft zu haben, zu schreien. Als sie ihn gewahrte, begann sie wie Espenlaub zu zittern, ein Beben lief durch ihre Gesichtszüge, sie hob einen Arm, öffnete den Mund, doch sie schrie nicht auf; sie wich langsam in die Ecke zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen; sie schien keine Luft zum Aufschreien zu haben. Er stürzte sich auf sie mit dem Beil: ihr Mund verzog sich wie bei einem sehr kleinen Kinde, das, durch etwas erschreckt, den schreckeneinflößenden Gegenstand anstarrt und Anstalten macht, zu schreien. Die unglückliche Lisaweta war schon von früher her dermaßen eingeschüchtert, scheu und einfältig, daß sie nicht einmal versuchte, ihr Gesicht mit den Händen zu schützen, obwohl dies die einzige notwendige und natürliche Bewegung in diesem Augenblick gewesen wäre, denn das Beil war direkt über ihrem Gesichte erhoben. Sie hob nur etwas ihren linken Arm und streckte ihn ihm entgegen, als ob

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