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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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wollte, stürzte sich mit einem richtigen Donnerwetter auf die unglückliche pompöse Dame, die ihn während der ganzen Zeit, seit er das Lokal betreten, mit dem dümmsten Lächeln angesehen hatte.
    »Ach du, so eine und so eine!« schrie er plötzlich aus vollem Halse (die Dame in Trauer war schon weggegangen). »Was hat es bei dir in der vorigen Nacht schon wieder gegeben? Wieder eine Schande, ein Skandal in der ganzen Straße? Wieder eine Schlägerei und eine Sauferei? Du willst wohl ins Gefängnis? Ich habe dir doch schon gesagt, ich habe dich schon zehnmal gewarnt, daß ich es das elftemal nicht dulden werde! Und du fängst wieder an, du so eine und so eine!«
    Raskolnikow entfiel sogar das Papier, und er blickte ganz bestürzt die pompöse Dame an, die man so ungeniert behandelte; bald begriff er jedoch den Sachverhalt, und die ganze Geschichte fing an, ihm zu gefallen. Er hörte mit Vergnügen zu und spürte sogar Lust, zu lachen, zu lachen, zu lachen. Alle seine Nerven zitterten förmlich.
    »Ilja Petrowitsch!« versuchte der Sekretär sich vorsichtig einzumischen, hielt aber inne und wartete, denn der Leutnant ließ sich bei solchen Wutausbrüchen nur auf die Weise besänftigen, daß man ihm die Hände festhielt, was er aus eigener Erfahrung wußte.
    Was aber die pompöse Dame betrifft, so fing sie zuerst vor den Donnern und Blitzen zu zittern an; doch seltsam! – je zahlreicher und kräftiger die Schimpfwörter fielen, um so freundlicher blickte sie, um so bezaubernder wurde ihr Lächeln, das dem wütenden Leutnant galt. Sie trippelte auf einem Fleck, knickste ununterbrochen und wartete ungeduldig, daß er endlich auch sie zu Worte kommen lasse, was sie schließlich auch erlebte.
    »Gar kein Lärm und Schlägerei bei mir, Herr Kapitän«, schnatterte sie plötzlich drauf los, auf russisch, doch mit einem starken deutschen Akzent; es klang, wie wenn man Erbsen ausgeschüttet hätte: »Und gar kein, gar kein Skandal, aber der Herr war betrunken, und ich werde alles erzählen, Herr Kapitän, aber ich nicht schuld ... ich habe anständiges Haus, Herr Kapitän, und anständige Manieren, Herr Kapitän, und ich wollte immer, immer keinen Skandal haben. Der Herr kam aber betrunken und verlangte dann wieder drei Flaschen, und dann hob einen Fuß und spielte mit Fuß Klavier, und das ist gar nicht schön in vornehmes Haus, und er hat Klavier kaputt gemacht, und das ist keine Manier, und ich ihm das gesagt. Aber er nahm Flasche und fing an alle mit Flaschen hinten zu stoßen. Ich bald Hausknecht gerufen und Karl gekommen, da hat er Karl Auge geschlagen, und auch Henriette Auge geschlagen, und hat mich fünfmal Backe geschlagen. Und das ist nicht schön in anständiges Haus, Herr Kapitän, und ich habe geschrien, aber er hat Fenster zu dem Kanal aufgemacht und hat geschrien wie kleines Schwein, und das ist Schande. Wie kann man aus dem Fenster auf die Straße wie kleines Schwein schreien? Pfui, pfui, pfui! Und Karl schleppte ihn am Frack von hinten vom Fenster und hat ihm, das ist wahr, Herr Kapitän, seinen Rock zerrissen. Und da hat er geschrien, daß man ihm fünfzehn Rubel Strafe zahlen muß. Und ich fünf Rubel für seinen Rock bezahlt, Herr Kapitän. Das ist nicht anständiger Gast, Herr Kapitän, und macht jeden Skandal! Er sagt: in allen Zeitungen eine große Satire über Sie gedruckt werden, weil ich in allen Zeitungen über Sie schreiben kann.«
    »Ist also auch einer von den Schriftstellern?«
    »Jawohl, Herr Kapitän, was ist das für ein unanständiger Gast, Herr Kapitän, wenn er in anständiges Haus ...«
    »Nun, nun, genug! Ich habe dir schon gesagt, ich habe dir schon gesagt ...«
    »Ilja Petrowitsch!« begann der Sekretär wieder bedeutungsvoll. Der Leutnant warf ihm einen schnellen Blick zu: der Sekretär nickte leicht mit dem Kopf.
    »... Also das ist mein letztes Wort, verehrteste Lawisa Iwanowna, zum allerletzten Mal«, fuhr der Leutnant fort: »Wenn es in deinem anständigen Hause nur noch ein einziges Mal Skandal gibt, so werde ich dich beim Schlafittchen nehmen, wie es in der Dichtersprache heißt. Hast du es gehört? Also hat sich ein Literat, ein Schriftsteller in einem anständigen Hause fünf Rubel für einen zerrissenen Frack bezahlen lassen? So sind sie alle, diese Herren Schriftsteller!« Er warf Raskolnikow einen verächtlichen Blick zu. »Vorgestern gab es in einem Wirtshause die gleiche Geschichte: so einer aß zu Mittag, wollte aber nicht bezahlen und sagte: ›Ich schreibe über

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