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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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fürchte Sie nicht im geringsten. Gehen Sie voraus«, sagte sie mit scheinbarer Ruhe, aber ihr Gesicht war sehr blaß.
    Swidrigailow blieb vor Ssonjas Wohnung stehen.
    »Erlauben Sie, daß ich mich erkundige, ob sie zu Hause ist ... Nein, sie ist nicht da, dieses Pech! Aber ich weiß, daß sie sehr bald kommen kann. Wenn sie ausgegangen ist, so doch nur zu einer Dame wegen der Waisen, deren Mutter gestorben ist. Ich habe mich hineingemischt und manches besorgt. Wenn Ssofja Ssemjonowna nach zehn Minuten noch nicht zurück ist, so schicke ich sie selbst zu Ihnen; wenn Sie wollen, heute noch. Nun, hier ist meine Wohnung, da sind meine beiden Zimmer. Hinter der Tür wohnt meine Wirtin, Frau Rößlich. Nun schauen Sie her, ich will Ihnen meine Hauptdokumente zeigen: diese Tür führt aus meinem Schlafzimmer in zwei vollkommen leere Zimmer, die zu vermieten sind. Hier sind sie ... das müssen Sie sich etwas aufmerksamer ansehen ...«
    Swidrigailow bewohnte zwei recht geräumige möblierte Zimmer. Dunjetschka sah sich mißtrauisch um, merkte aber weder in der Ausstattung, noch in der Lage der Zimmer etwas Besonderes, obwohl ihr einiges doch hätte auffallen müssen; zum Beispiel, daß Swidrigailows Wohnung zwischen zwei anderen leeren Wohnungen lag. Der Eingang zu ihm war nicht direkt vom Korridor aus, sondern durch zwei Zimmer der Wirtin, die fast leer waren. Swidrigailow sperrte die verschlossene Tür im Schlafzimmer auf und zeigte Dunja eine leere Wohnung, die gleichfalls zu vermieten war. Dunjetschka blieb an der Schwelle stehen, ohne zu begreifen, warum man sie aufforderte, es zu sehen, aber Swidrigailow beeilte ich, es ihr zu erklären.
    »Schauen Sie, bitte, hier hinein, in dieses zweite große Zimmer. Beachten Sie diese Tür, sie ist abgeschlossen. Neben der Tür steht ein Stuhl, der einzige Stuhl in beiden Zimmern. Ich brachte ihn aus meiner Wohnung, um bequemer horchen zu können. Dort, gleich hinter der Tür, steht der Tisch Ssofja Ssemjonownas: dort saß sie und sprach mit Rodion Romanowitsch. Und ich horchte hier, auf diesem Stuhle sitzend, zwei Abende hintereinander, beide. Male je zwei Stunden – und konnte natürlich manches erfahren, – wie glauben Sie?«
    »Haben Sie gehorcht?«
    »Ja, ich habe gehorcht. Jetzt wollen wir aber zu mir gehen, hier kann man nicht mal sitzen.«
    Er führte Awdotja Romanowna in sein erstes Zimmer zurück, das ihm als Empfangszimmer diente, und bot ihr einen Stuhl an. Er selbst setzte sich ans andere Ende des Tisches, mindestens einen Klafter von ihr entfernt, aber in seinen Augen brannte wohl wieder das gleiche Feuer, das Dunjetschka schon einmal er schreckt hatte. Sie fuhr zusammen und sah sich noch einmal argwöhnisch um. Diese Bewegung war unwillkürlich, sie wollte ihren Argwohn offenbar nicht zeigen. Aber die isolierte Lage der Wohnung Swidrigailows fiel ihr doch auf. Sie wollte schon fragen, ob wenigstens seine Wirtin zu Hause sei, fragte aber nicht ... aus Stolz. Zudem war in ihrem Herzen auch noch ein anderer Schmerz, viel größer als die Angst für sich selbst. Die Qual war unerträglich.
    »Hier ist Ihr Brief«, begann sie, indem sie denselben auf den Tisch legte. »Ist es denn möglich, was Sie da schreiben? Sie machen Anspielungen auf ein Verbrechen, das mein Bruder verübt haben soll. Die Anspielung ist viel zu deutlich, Sie dürfen jetzt nicht mit Ausflüchten kommen. Nun sage ich Ihnen, daß ich dieses dumme Märchen schon vor Ihnen gehört habe und keinem Wort davon glaube. Es ist ein gemeiner und lächerlicher Verdacht. Ich kenne die Geschichte und weiß, wie und warum man sie erfunden hat. Sie können keinerlei Beweise haben, Sie haben aber versprochen, alles zu beweisen: sprechen Sie doch! Aber ich sage Ihnen gleich, daß ich Ihnen nicht glaube! Ich glaube es nicht!«
    Dunjetschka sagte dies, sich überstürzend, mit großer Hast, und das Blut stieg ihr für einen Augenblick in den Kopf.
    »Wenn Sie mir nicht glaubten, wäre es dann möglich, daß Sie riskiert hätten, allein zu mir zu kommen? Warum sind Sie dann hergekommen? Aus bloßer Neugier?«
    »Quälen Sie mich nicht, sprechen Sie, sprechen Sie!«
    »Es ist nicht zu leugnen, daß Sie ein tapferes Mädchen sind. Bei Gott, ich glaubte, Sie würden Herrn Rasumichin bitten, Sie hierher zu begleiten. Aber er war weder mit Ihnen noch in Ihrer Nähe; ich habe mich davon überzeugt. Das ist kühn, folglich wollten Sie Rodion Romanowitsch schonen. Bei Ihnen ist übrigens alles göttlich ... Was aber Ihren

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