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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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Raskolnikow einem gewöhnlichen Mörder, Räuber und Diebe gar nicht ähnlich sehe und daß hier etwas anderes vorliegen müsse. Aber zum größten Verdruß derer, die diese Ansicht vertraten, machte der Verbrecher selbst fast keine Versuche, sich zu verteidigen; auf die endgültigen Fragen, was ihn zum Morde habe bewegen können und was ihn zum Raube verleitet habe, antwortete er sehr klar mit der rohesten Genauigkeit, daß die Ursache davon seine schlechte Lage, seine Armut und Hilflosigkeit gewesen seien, der Wunsch, die ersten Schritte seiner Lebensbahn mit Hilfe der mindestens dreitausend Rubel zu sichern, die er bei der Ermordeten zu finden hoffte. Zum Morde habe er sich aber infolge seines leichtsinnigen und kleinmütigen Charakters entschlossen, der überdies durch Entbehrungen und Mißerfolge gereizt war. Auf die Frage, was ihn veranlaßt habe, mit einem Geständnis zu kommen, antwortete er unumwunden, daß es aufrichtige Reue gewesen sei. Das alles klang schon beinahe roh ...
    Das Urteil fiel jedoch milder aus, als man es nach der Art des Verbrechens erwartet hatte, und zwar vielleicht gerade aus dem Grunde, weil der Verbrecher sich nicht nur nicht zu verteidigen versuchte, sondern sogar den Wunsch zeigte, sich noch mehr anzuklagen. Alle die seltsamen und besonderen Umstände wurden mit in Betracht gezogen. Der krankhafte Zustand und die Notlage des Verbrechers vor Ausführung der Tat unterlagen keinem Zweifel. Daß er vom Geraubten keinen Gebrauch gemacht hatte, wurde zum Teil der erwachten Reue und zum Teil dem nicht völlig normalen Zustande seiner geistigen Fähigkeiten bei der Verübung des Verbrechens zugeschrieben. Auch die zufällige Ermordung Lisawetas diente als Umstand, der die letzte Annahme bekräftigte: ein Mensch begeht zwei Morde und vergißt zugleich, daß die Tür offen steht! Schließlich das freiwillige Geständnis gerade zu einem Zeitpunkt, wo die Sache infolge der falschen Selbstanklage eines entmutigten Fanatikers (Nikolai) außerordentlich verwickelt wurde und außerdem, wo gegen den wahren Verbrecher nicht nur keine klaren Indizien, sondern auch fast keine Verdachtsgründe vorlagen (Porfirij Petrowitsch hatte Wort gehalten) – das alles trug außerordentlich viel zur Milderung des Loses des Angeklagten bei.
    Außerdem wurden auch andere, völlig unerwartete Umstände bekannt, die für den Angeklagten außerordentlich günstig waren. Der ehemalige Student Rasumichin hatte irgendwo Beweise dafür ausgegraben, daß der Angeklagte Raskolnikow, als er noch auf der Universität war, aus seinen letzten Mitteln einen armen und schwindsüchtigen Universitätskollegen unterstützt und fast ein ganzes halbes Jahr ausgehalten habe. Als dieser gestorben war, hätte er den am Leben gebliebenen alten und gelähmten Vater des verstorbenen Kollegen (der seinen Vater durch seiner Hände Arbeit fast seit seinem dreizehnten Lebensjahre ernährt und unterhalten hatte) gepflegt, dann diesen Alten in einem Krankenhaus untergebracht und, als er starb, auf eigene Kosten beerdigen lassen. Alle diese Mitteilungen hatten einen gewissen günstigen Einfluß auf das Los Raskolnikows. Seine frühere Wirtin, die Mutter der verstorbenen Braut Raskolnikows, die Witwe Sarnizyna, sagte aus, daß Raskolnikow, als sie noch in einem anderen Hause, an den »Fünf Ecken« wohnten, während einer nächtlichen Feuersbrunst aus einer schon brennenden Wohnung zwei kleine Kinder gerettet und dabei Brandwunden davongetragen habe. Diese Tatsache wurde genau untersucht und von anderen Zeugen mit ziemlicher Sicherheit bestätigt. Mit einem Wort: die Sache endete damit, daß der Verbrecher in Anbetracht seines freiwilligen Geständnisses und einiger strafmildernder Umstände zu nur acht Jahren Zwangsarbeit zweiter Klasse verurteilt wurde.
    Die Mutter Raskolnikows war noch beim Anfange des Prozesses erkrankt. Dunja und Rasumichin brachten es fertig, sie für die Dauer des ganzen Prozesses aus Petersburg fortzubringen. Rasumichin wählte eine an der Eisenbahn gelegene Stadt in der Nähe von Petersburg, um die Möglichkeit zu haben, den Prozeß regelmäßig zu verfolgen und zugleich möglichst oft Awdotja Romanowna zu sehen. Die Krankheit Pulcheria Alexandrownas war nervöser Natur und sehr eigentümlich, begleitet von einer wenn auch nicht völligen, so doch teilweisen Geistesstörung. Als Dunja von ihrer letzten Zusammenkunft mit dem Bruder zurückkehrte, traf sie die Mutter schon ganz krank an, im Fieber und phantasierend. Am

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