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Verbrechen und Strafe

Verbrechen und Strafe

Titel: Verbrechen und Strafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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Rechenschaft zu geben ... Sie brachten eben die Rede auf Samjotow, Samjotow ist imstande, in einem unanständigen Lokal bei einem Glase Champagner oder einheimischem Schaumwein einen Skandal auf französische Manier zu verüben – das ist Ihr Samjotow! Aber ich bin vielleicht vor Ergebenheit und hohen Gefühlen sozusagen zu Asche verbrannt und habe überdies Einfluß, einen Rang, bekleide ein Amt! Bin verheiratet und habe Kinder. Erfülle die Pflicht des Bürgers und Menschen. Aber was ist er? Gestatten Sie mir die Frage. Ich wende mich an Sie als an einen durch die Bildung geadelten Menschen. Auch gibt es jetzt auf einmal eine solche Menge von Hebammen.«
    Raskolnikow zog fragend die Brauen hoch. Die Worte Ilja Petrowitschs, der wohl eben von Tische kam, schlugen wie inhaltlose Töne an sein Ohr. Einen Teil von ihnen hatte er dennoch verstanden; er sah ihn fragend an und wußte nicht, womit das alles enden sollte.
    »Ich meine diese kurzgeschorenen Mädels«, fuhr der redselige Ilja Petrowitsch fort. »Ich nenne sie Hebammen und finde, daß diese Bezeichnung treffend ist. He-he! Sie dringen in die medizinische Akademie ein, lernen Anatomie; nun, sagen Sie mir, wenn ich krank werde, werde ich so ein Mädel holen lassen, damit sie mich behandelt? He-he!«
    Ilja Petrowitsch lachte, durchaus zufrieden mit seinen Witzen.
    »Es ist allerdings ein maßloser Durst nach Bildung; aber bilde dich und laß es sein. Warum soll man übertreiben? Warum soll man anständige Menschen beleidigen, wie es dieser Schuft Samjotow tut? Warum hat er mich beleidigt, frage ich Sie? Und dann diese Menge von Selbstmorden – das können Sie sich gar nicht vorstellen. – Alles verpraßt sein letztes Geld und begeht dann Selbstmord. Kleine Mädels, Jungen, Greise ... Erst heute früh kam die Mitteilung über einen vor kurzem zugereisten Herrn. Nil Pawlytsch! Nil Pawlytsch! Wie hieß noch dieser Gentleman, über den wir eben die Mitteilung erhielten, der sich auf der Petersburger Seite erschossen hat?«
    »Swidrigailow«, antwortete jemand heiser und gleichgültig aus dem anderen Zimmer.
    Raskolnikow fuhr zusammen.
    »Swidrigailow?! Swidrigailow hat sich erschossen?!« rief er aus.
    »Wie! Sie kannten Swidrigailow?«
    »Ja ... ich kannte ihn ... Er war vor kurzem hergekommen ...«
    »Ja, gewiß, er ist vor kurzem zugereist, hatte seine Frau verloren, ein Mann von liederlichem Lebenswandel, und hat sich plötzlich erschossen, und so skandalös, daß man es sich gar nicht vorstellen kann ... hat in seinem Notizbuche einige Worte hinterlassen, daß er bei vollem Verstande sterbe und bitte, niemand für seinen Tod verantwortlich zu machen. Dieser soll Geld gehabt haben. Wie kommen Sie dazu, ihn zu kennen?«
    »Ich ... war mit ihm bekannt ... meine Schwester lebte in seinem Hause als Gouvernante ...«
    »So, so, so ... Dann können Sie uns wohl einiges mitteilen. Und Sie haben es gar nicht geahnt?«
    »Ich habe ihn gestern gesehen ... er ... trank Wein ... ich wußte nichts.«
    Raskolnikow hatte ein Gefühl, als ob etwas auf ihn niedergefallen wäre und ihn erdrückt hätte.
    »Sie sind wieder blaß geworden. Es ist hier bei uns eine so stickige Luft ...«
    »Ja, ich muß gehen«, murmelte Raskolnikow. »Entschuldigen Sie, daß ich gestört habe ...«
    »Oh, bitte sehr, soviel es Ihnen beliebt! Es war mir ein Vergnügen, und ich freue mich, es Ihnen zu sagen.«
    Ilja Petrowitsch reichte ihm sogar die Hand.
    »Ich wollte nur ... zu Samjotow ...«
    »Ich verstehe, ich verstehe, und haben dabei mir das Vergnügen gemacht.«
    »Ich ... ich freue mich ... auf Wiedersehen ...« stammelte Raskolnikow mit einem Lächeln.
    Er ging hinaus; er schwankte. Der Kopf schwindelte ihm. Er fühlte nicht, ob er noch auf den Beinen stehe. Er begann die Treppe hinabzugehen, indem er sich mit der rechten Hand gegen die Wand stützte. Es schien ihm, als hätte ihn irgendein Hausknecht, der mit einem Buche in der Hand ins Bureau hinaufging, gestoßen; als bellte irgendwo im unteren Stock aus Leibeskräften ein Hündchen, und als hätte eine Frau mit einem Stock nach ihm geworfen und es angeschrien. Er ging hinunter und trat in den Hof. Hier auf dem Hofe, in der Nähe des Ausganges stand Ssonja, bleich und starr und sah ihn wie wahnsinnig an. Er blieb vor ihr stehen. Ihr Gesicht zeigte einen leidenden und gequälten Ausdruck, etwas wie Verzweiflung. Sie schlug die Hände zusammen. Ein häßliches, verlorenes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Er stand eine Weile da,

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