Verdammt wo ist der Braeutigam
Stunden später schon fünf Familienmitglieder abgestellt werden müssen, um einen angetrunkenen Onkel Herbert in Schach zu halten, bis sich einer von ihnen entschließt, den schwierigen Verwandten gegen seinen Willen von der Hochzeit abzuführen.
Aber nicht, dass der falsche Eindruck entsteht, nur Onkel Herberts würden zu tief ins Glas schauen. Es dürfte kaum einen Gast geben, der nicht schon mal die Erfahrung machen musste, auf einem Hochzeitsfest zu viel getrunken zu haben.
Frank, ein Kollege meines Mannes, hat auf diese Weise seine Freundin verloren. Er feierte so lange und intensiv, dass er den Weg ins Doppelbett nicht zurückfand und anderswo nächtigte (wo, weiß er angeblich nicht mehr). Am Morgen darauf war die Freundin weg.
Sich nicht mehr an das erinnern zu können, was man womöglich im angeheiterten Zustand getan und gesagt hat, zählt zu den unangenehmsten Erfahrungen. »Du hast den Bräutigam geküsst!« Tat man das wirklich? Hilfe!
In besonderer Erinnerung bleiben auch Brautpaare, die an ihrem Hochzeitstag zu tief ins Glas sehen. Mein Kollege Rolf erzählte von einer Hochzeit, auf der am späteren Abend der Bräutigam, vom Alkohol schon sichtlich angeschlagen, von Gast zu Gast torkelte und immer wieder sagte: »Ich habe sie gar nicht verdient. Sie ist viel zu gut für mich!« Trotz guten Zuspruchs ließ er sich partout nicht von seiner Meinung abbringen. Ob er wohl zuvor im Schwips heimlich die falsche Frau geküsst hat?
Unser Freund Marc erlebte eine Braut, der der Sekt derart in den Kopf gestiegen war, dass sie bereits um 21 Uhr mithilfe mehrerer Gäste ins Bett gebracht werden musste. Der Bräutigam hielt dagegen bis fünf Uhr morgens durch und hat sich Gerüchten zufolge sehr gut »amüsiert«.
Damit wird auf einmal klar, warum die Hochzeitsgäste immer so viel trinken müssen: Sie haben die wichtige Aufgabe, fürs Brautpaar nicht zu viel übrig zu lassen, damit die beiden – statt zu tief ins Glas zu schauen und Unsinn anzustellen – so wie es sich gehört, ihre Hochzeit gemeinsam feiern.
Die Reden
EIN FEUERWERK OHNE KNALL?
Anke Engelke müsste man heißen. Dann könnte man für eine Rede 40.000 Euro kassieren, wie Recherchen der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ ergeben haben. Aber wie die Lage ist, gibt es für Normalsterbliche wie Sie und mich dafür gar nichts. Und das ist wahrscheinlich auch besser so, denn bei einer Hochzeit ginge das ganz schön ins Geld. Schließlich reden häufig der Brautvater, der Vater des Bräutigams, die Brautleute, die Trauzeugen und wer sonst noch möchte.
Für alle, die nicht die Erfahrung einer Anke Engelke haben, gibt es Tipps, worauf sie bei so einem Anlass achten sollten. Der Zeitpunkt etwa sollte richtig gewählt werden (nicht vor dem Essen). Zu lang soll die Rede nicht sein, und abgelesen werden soll sie auch nicht.
Nichtsdestotrotz sind manche Reden derart dröge, dass sich die Hochzeitsgäste wieder fühlen wie bei ihrer Schulabschlussfeier, als der Direktor eine langweilige Ansprache hielt, während sich alle nur fragten: Wann geht die verdammte Feier los?
Vielleicht sollte man von den Reden auf Hochzeiten nicht zu viel erwarten. Sie sind ja vor allem ein Ausdruck der Anteilnahme und eine Möglichkeit, dem Brautpaar Gutes zu wünschen.
Wer diese gute Absicht allerdings nicht hat, muss mit Schadenfreude rechnen, wenn die Rede misslingt. Unser Freund Fred erlebte einmal eine recht bösartige Rede. Erst sprach der Brautvater, ein Rechtsanwalt, der sich in den höheren Kreisen seiner Stadt bewegte. Er gratulierte dem Paar und gab seiner »Hoffnung Ausdruck«, dass die beiden glücklich würden. Aufmerksamen Zuhörern entging nicht, dass er mit der Wahl seiner Tochter Bea unzufrieden war.
»Er hatte sich anscheinend einen Juristen als Schwiegersohn gewünscht.«
»Und was war er stattdessen?«
»Ulli ist Schreiner, er kommt aus einer traditionellen Handwerkerfamilie. Aber die Rede von dem Anwalt war nicht besonders, sehr trocken. Da hatte ich mir bei seiner Position mehr erwartet. Doch das Beste war: Die Rede vom Vater des Bräutigams war super, tausend Mal besser, womit keiner gerechnet hatte. Das hat mich für ihn sehr gefreut.«
Was für eine schöne Anekdote, in der der Gute den Bösen allein mit Worten besiegt hat. Und was für eine tolle Show für die anderen Gäste. Definitiv ist eine Rede, die für Aufregung – welcher Art auch immer – sorgt, für die Gäste unterhaltsamer als eine Schuldirektorenansprache.
Von vielen
Weitere Kostenlose Bücher