Verdammt wo ist der Braeutigam
Musikgeschmack haben. Auf manchen Hochzeiten sind sie einfach nicht auf die Tanzfläche zu bekommen, und selbst, wenn sie einzeln gezogen und gezerrt werden wie eine Gruppe störrischer Esel, ziehen sie sich, sobald es ihnen möglich ist, wieder zurück.
Andere Brautpaare engagieren eine Band für den ganzen Abend. Chris kennt zwei Arten von Engagements. Die, bei denen die Musiker behandelt werden wie Dienstboten und zum Essen und Trinken in die Küche müssen. Und die, bei denen die Gastgeber sie behandeln wie Freunde.
Es gibt Witze darüber. Zum Beispiel den kürzesten Musikerwitz: Zwei Musiker gehen an der Kneipe vorbei. Und es gibt Erfahrungen. Zum Beispiel die von Chris, der sagt: »Wir haben es auf jeder Hochzeit geschafft, uns zu betrinken.«
Es gibt natürlich auch ganz andere Musiker, solche, die sich auf Hochzeiten spezialisiert haben, das ganz prima machen, nur Apfelschorle trinken und deswegen gerade schon an einer Gegendarstellung feilen. Das sind dann nicht die »Ich kenne jemanden, der macht Musik«-Musiker, sondern irgendwie andere. An diese anderen sollten sich Brautpaare am besten halten, es sei denn, sie wollen eine Hochzeit feiern, von der es noch viele Jahre später heißen wird: »Ich war mal auf einer Grusel-Hochzeit, da spielten diese …«.
Die Spiele
VON VERUNGLÜCKTEN ENTFÜHRUNGEN UND DEM GEFÜRCHTETEN DIAMARATHON
Auf Hochzeiten darf gelacht werden. Das ist gar nicht so klar, sind sie doch im Grunde eine ernste Angelegenheit. Da geben sich immerhin zwei Menschen das Versprechen, ihr ganzes weiteres Leben zusammenzuleben. Das sorgt zu Recht spätestens während der Trauungszeremonie für eine gewisse erhabene Feierlichkeit. Aber noch während sich mancher Gast gerührt die Tränen aus den Augen wischt, denken andere schon einen Schritt weiter. Sie sind für die Spiele zuständig.
Das ist keine leichte Aufgabe. Vielleicht sind sie von Beruf Rechtsanwalt, Steuerfahnderin oder Mitarbeiter eines Autoabschleppdienstes, und auf einmal sollen sie eine Hochzeitsgesellschaft bespaßen, die sich aus den unterschiedlichsten Menschen zusammensetzt. Da kann schnell mal was schiefgehen.
Besonders gefährlich sind Brautentführungen. Als meine Studienfreundin Valerie heiratete, hatte sie nicht bedacht, was passieren kann, wenn man in einem Lokal am See feiert. Sie wurde aufs Wasser entführt, natürlich. Ihr frisch angetrauter Ehemann ruderte ihr und ihren Entführern recht flott hinterher, nur beim Entern ihres Bootes ging irgendetwas schief, und alle flogen ins Wasser. Das klingt recht lustig und ist mit Sicherheit unvergesslich, aber dennoch nicht das, was sich eine Braut für den schönsten Tag ihres Lebens wünscht: bis auf die Spitzenunterwäsche durchnässt, mit klatschnassen Haaren (die teure Frisur dahin) und fürchterlich frierend von ihren eigenen Gästen bemitleidet zu werden.
Noch härter traf es eine Braut, von der Blasi Breitenbach einer Münchner Zeitung erzählte, seines Zeichens Zeremonienmeister in Freising: Ihr Bräutigam weigerte sich, sie zu suchen, als ihre Entführung bemerkt wurde. Mehrere Gäste forderten ihn auf und flehten ihn schließlich geradezu an, doch bitte mitzuspielen. »Ich such doch nicht meine eigene Frau«, schimpfte er. (Seiner Logik zufolge hätte man die Braut also besser vor dem Jawort verstecken sollen.) Irgendwann trottete er dann doch mit drei Freunden wenig begeistert davon. Stunden später kam die Braut weinend zurück, allein vom Bräutigam fehlte jede Spur. Je länger er fortblieb, desto ratloser wurden seine Frau und die ganze Gesellschaft. »Verdammt, wo ist der Bräutigam?«, tuschelten die Gäste irritiert und voller Mitgefühl der armen Braut gegenüber. Zu fortgeschrittener Stunde tauchte er dann wieder auf, allerdings nicht weinend, sondern sturzbetrunken: Statt auf Brautsuche zu gehen, hatte er sich mit seinen Kumpels ins nächste Wirtshaus begeben. Die Ehe hielt keine sechs Monate.
Angesichts solch dramatischer Entwicklungen kann man verstehen, wenn sich nicht jeder Gast darum reißt, den Spieleorganisator zu geben. Mein Kollege Rolf musste einmal in letzter Minute einspringen. Der Brautvater war auf ihn zugekommen.
»Rolf, kannst du mir bitte helfen, ich hatte Freunde gebeten, sich Spiele auszudenken, aber sie haben es einfach nicht gemacht«, sagte er und wirkte dabei recht verzweifelt.
So was nennt man wohl Dienstverweigerung, dachte sich Rolf und sah sich in der Falle: Wenn ein Brautvater einen Herzenswunsch hat, kann man schlecht
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