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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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    Präludium
    März 1891
    ∞
    Mittwoch, 25 . März 1891
    D iese Geschichte beginnt in einer Knochenstadt. In den Gassen der Toten. Auf den stillen Boulevards, Promenaden und Sackgassen des Cimetière de Montmartre in Paris, einem Ort, bevölkert von Grabmälern und steinernen Engeln und den zaudernden Geistern derjenigen, die schon vergessen wurden, noch ehe sie in ihren Gräbern erkalteten.
    Diese Geschichte beginnt mit den Wächtern an den Toren, mit den Armen und Verzweifelten von Paris, die gekommen sind, um von der Trauer anderer zu profitieren. Mit den gaffenden Bettlern und scharfäugigen
chiffonniers,
mit den Kranzflechtern und Straßenhändlern, die billige Votivgaben feilbieten, mit den Mädchen, die Papierblumen binden, und den wartenden Kutschen mit schwarzem Verdeck und verschmierten Scheiben.
    Die Geschichte beginnt mit der Inszenierung einer Beerdigung. Eine kleine Annonce im
Figaro
hatte Ort und Zeitpunkt bekanntgegeben, doch wenige sind gekommen. Ein zerstreutes Grüppchen, dunkle Schleier und Cutaways, blanke Stiefel und extravagante Schirme zum Schutz gegen den garstigen Märzregen.
    Léonie steht mit ihrem Bruder und ihrer Mutter am offenen Grab, das aparte Gesicht hinter schwarzer Spitze verborgen. Von den Lippen des Priesters fallen Platitüden, Worte der Vergebung, die alle Herzen kaltlassen und alle Emotionen unberührt. Der hässliche Mann mit seiner ungestärkten weißen Halsbinde, den groben Schnallenschuhen und dem fettigen Teint weiß nichts von den Lügen und Täuschungsmanövern, die zu diesem Fleckchen Erde im 18 . Arrondissement am nördlichen Rand von Paris geführt haben.
    Léonies Augen sind trocken. Ebenso wie der Priester weiß sie nicht, was an diesem Nachmittag wirklich gespielt wird. Sie glaubt, sie nimmt an einer Beerdigung teil, dem Schlusspunkt eines zu früh geendeten Lebens. Sie ist gekommen, um der Geliebten ihres Bruders die letzte Ehre zu erweisen, einer Frau, der sie nie im Leben begegnet ist. Um ihrem Bruder in seiner Trauer zur Seite zu stehen.
    Léonies Augen ruhen auf dem Sarg, der in die feuchte Erde gesenkt wird, wo Würmer und Spinnen hausen. Wenn sie Anatole jetzt unvermittelt einen raschen Seitenblick zuwerfen würde, dann würde sie den Gesichtsausdruck ihres geliebten Bruders bemerken und sich wundern. Denn nicht Schmerz schwimmt in seinen Augen, sondern eher Erleichterung.
    Und da sie sich nicht umwendet, bemerkt sie auch nicht den Mann im grauen Zylinder und Gehrock, der sich zum Schutz vor dem Regen unter die Zypressen in der hintersten Ecke des Friedhofs gestellt hat. Er gibt eine beeindruckende Figur ab, die Sorte Mann, bei dessen Anblick
une belle parisienne
ihr Haar berühren und die Augen unter dem Schleier ein wenig heben würde. Seine breiten und starken Hände stecken in maßgeschneiderten Kalbslederhandschuhen und ruhen vollendet auf dem Silberknauf seines Gehstocks aus Mahagoni. Es sind Hände, die eine Taille umfassen, eine Geliebte näher ziehen, eine blasse Wange liebkosen könnten.
    Er beobachtet die Szene mit einem Ausdruck großer Intensität im Gesicht. Seine Pupillen sind schwarze Nadelspitzen in hellen blauen Augen.
    Ein dumpfer Aufprall von Erde auf dem Sargdeckel. Die letzten Worte des Priesters hallen durch die schwere Luft.
    »
In nomine Patri et Filii et Spiritus Sancti. Amen.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
    Er macht das Kreuzzeichen und geht davon.
    Amen. So sei es.
    Léonie lässt ihre Blume fallen, die sie heute Morgen im Parc Monceau frisch gepflückt hat, eine Rose zum Gedenken. Die Blüte kreiselt nach unten durch die kühle Luft, leuchtendes Weiß, das langsam aus ihren schwarz behandschuhten Fingern gleitet.
    Lasst die Toten ruhen. Lasst die Toten schlafen.
    Der Regen wird stärker. Jenseits der hohen schmiedeeisernen Tore des Friedhofs sind die Dächer, Kirchtürme und Kuppeln von Paris in silbrigen Nebel gehüllt. Er dämpft das Geräusch der klappernden Kutschen auf dem Boulevard de Clichy und das ferne Kreischen der Züge, die aus dem Gare Saint-Lazare rollen.
    Die Trauergesellschaft wendet sich vom Grab ab. Léonie berührt den Arm ihres Bruders. Er tätschelt ihre Hand, senkt den Kopf. Während sie den Friedhof verlassen, hofft Léonie mehr als alles andere, dass es nun endgültig vorbei ist. Dass sie nach den letzten schlimmen Monaten voller Drangsal und Unglück nun einen Schlussstrich ziehen können.
    Dass sie aus dem Schatten treten und wieder anfangen können zu

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