Verführung der Schatten
eine der Faktionen zu erkennen gibt, ein Massaker stattfindet.“
„Zum Beispiel?“
„Die Hexen haben sich über Jahrtausende hinweg als solche zu erkennen gegeben, bis zur letzten großen Verbrennungswelle. Und dann die ganzen Leute, die man früher umbrachte, weil sie angeblich von Dämonen besessen waren? Sie waren Dämonen.“
„Aber wie können sich all diese Wesen vor den Menschen verborgen halten?“
„Das ist leichter, als du denkst. Wir halten uns vor allem in verrückten Städten auf, in denen viel los ist. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass alles, was ein bisschen schräg ist, zu einer Verkleidung gehört oder aber – zumindest heutzutage – Teil eines MTV -Streichs ist.“ Er wurde wieder ernst. „Aber jede Sage, jedes Märchen ist ein Beispiel dafür, dass irgendein Wesen der Mythenwelt Scheiße gebaut hat.“
„Was würdest du tun, wenn dich jetzt die Polizei anhalten würde? Nehmen wir mal an, du ziehst dir sofort deinen Hut auf und der Cop will, dass du ihn abnimmst.“
„Die meisten Dämonen würden wegrennen, sich ein paar Kugeln einfangen und so schnell wie möglich außer Sichtweite verschwinden, um sich zu translozieren.“
„Translozieren? Darüber habe ich was gelesen. Das heißt so viel wie sich teleportieren, oder?“
Er nickte. „Aber nicht alle Dämonenrassen sind dazu fähig und die, die das Potenzial besitzen, müssen hart daran arbeiten, bis sie es beherrschen.“
„Ich nehme an, du kannst es nicht, denn sonst hättest du uns sicherlich wegtransloziert, statt durch den Sumpf zu brettern.“
„Früher konnte ich es. Ich habe diese Kraft viele Jahrhunderte lang besessen, aber Omort hat sie mir genommen, genauso wie die meines Bruders.“
„Wirst du sie jemals wiedererhalten?“
Er blickte ihr in die Augen. „Sobald dieses Schwert ihm den Kopf vom Hals trennt, werden wir frei sein.“
Cadeons Miene wurde finster, als ob er sich in ebendiesem Augenblick ausmalte, Omort zu enthaupten. Dann glitt sein Blick wieder zu ihr, und er schien aufzuwachen. „So, dann kommen jetzt meine Fragen über dich …“
„Was willst du wissen?“
„Wie hast du herausgefunden, dass du adoptiert wurdest?“
„Meine Adoption war nie ein Geheimnis. Meine Mom hat mir immer die Geschichte erzählt, wie mich eines Tages jemand auf ihrer Türschwelle abgelegt hat. Sie nannte mich ihren kleinen Findling.“ Holly lächelte. „Sie hatte jahrelang versucht, schwanger zu werden. Als das nicht klappte und sie sich nach der Möglichkeit einer Adoption erkundigten, befanden die Behörden, mein Vater sei zu alt. Dabei hat er sie noch überlebt.“
Wenn auch nicht lange. Er hatte die Frau, mit der er fünfundvierzig Jahre lang verheiratet gewesen war, so sehr geliebt, dass er ihr einfach nur folgen wollte, wo auch immer sie hingegangen war, als er sie an den Krebs verloren hatte. Ihre Eltern hatte eine ganz spezielle Art von Liebe verbunden, die Art, über die man liest, die man aber nur sehr selten sieht.
Ob ihre biologischen Eltern sich auch so geliebt hatten?
„Ich wette, du hast dir deine richtige Mom nie als Kriegerin und Walküre vorgestellt.“ Er nahm einen großen Schluck Red Bull.
„Nein, wir nahmen an, sie sei ein unverheirateter Teenager gewesen.“ Ein unbekannter Geruch stieg ihr in die Nase, und sie sog prüfend die Luft ein. „Hast du dir etwa Alkohol in dein Getränk getan?“
„Kann schon sein.“
„Du sitzt betrunken am Steuer!“
„Und wenn ich sternhagelvoll wäre, wären meine Reflexe immer noch tausendmal besser als die eines Menschen.“
„Du fluchst wie ein Matrose und verunglimpfst Frauen und jetzt muss ich auch noch feststellen, dass du betrunken Auto fährst.“ Sie warf einen Blick auf den Tachometer. „Und das auch noch viel zu schnell.“
„Richtig, richtig und wieder richtig. Und du kannst das Leben überhaupt nicht genießen, bist eine verdammte Langweilerin und hast nie Spaß.“
„Und ob ich Spaß habe!“
„Du würdest es ja nicht mal merken, wenn dich der Spaß in den Arsch beißen würde!“
Ihr Kinn fuhr in die Höhe. „Du glaubst also, ich bin ein Tugendbolzen und eine Zicke.“
„Eigentlich wollte ich sagen: alte Meckerliese, die jedem vorschreiben will, wie er leben soll. Aber Zicke trifft es auch ziemlich gut. Vor allem nach dem, was Nïx mir heute über dich erzählt hat.“
„Was hat sie denn gesagt?“, fragte Holly prompt.
„Sie sagte, du wärst vollkommen unschuldig, und nicht nur, was deinen Körper
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