Verführung Der Unschuld
versöhnlich
wie möglich zu antworten. »Nenn mich nicht so, denn das ist nicht wahr! Erkläre mir bitte
endlich, was los ist!«
»Ja, am Anfang, da warst du sehr nett zu mir. Da habe ich geglaubt, du … Aber dann, dann
ist das mit den Figuren passiert …«
»Zugegeben, ich war danach etwas strenger mit dir und habe eine Weile deine Arbeit
kontrolliert, weil ich wollte, dass du achtsamer arbeitest und nicht noch einmal in
Schwierigkeiten gerätst«
Giulia fiel ihr ins Wort. Allmählich schwoll ihre Nase von den Tränen zu, und sie verspürte
ein ungutes Gefühl in der Magengegend. »Von wegen achtsam arbeiten, mit den Figuren fing
alles an! Ich habe sie nicht kaputt gemacht!« Ihre Stimme schnappte über und nahm einen
hysterischen Klang an. »Ich war es nicht, ich war es nicht!«
Um Antonellas Lippen spielte ein amüsiertes Lächeln. Giulia verhielt sich wie ein trotziges
kleines Kind. Was war denn nur los mit ihr? »Wieso hast du es dann zugegeben?«
Giulia schluchzte haltlos und senkte den Kopf. Ihre Schultern bebten. »Mir hat doch keiner
geglaubt! Dabei bist du es gewesen und hast es mir in die Schuhe geschoben, weil du mich
loswerden wolltest!«
»Giulia!« Antonella kniete entsetzt vor ihr nieder und nahm ihr Gesicht in beide Hände.
»Wie kannst du nur so etwas von mir glauben! Wenn ich das gewollt hätte, hätte es andere
Mittel und Wege gegeben!« Sie zog das Mädchen in ihre Arme, und Giulia ließ sich kraftlos
fallen und ihren Tränen freien Lauf.
»Ist ja gut, so beruhige dich doch endlich!« Tröstend streichelte Antonella ihr eine Zeit lang
über den Rücken und versuchte dabei nachzudenken. Sie hatte eine Idee, was die zerbrochene
Figur betraf, aber sie behielt diese vorerst noch für sich. Zunächst musste sie herausfinden,
warum Giulia weglaufen wollte.
»Und nun sag mir doch bitte, bitte endlich, was passiert ist, warum du glaubst, man würde
dich sowieso hinauswerfen!« Sie drückte Giulia zurück gegen die Lehne des Stuhls. Das
Mädchen sah hundeelend aus.
»Weil«, schluchzte sie nasal und schnäuzte sich in das ohnehin schon völlig durchnässte
Taschentuch, »weil ich schwanger bin!«
Antonella wirkte weit weniger schockiert, als Giulia erwartet hatte.
»Von welchem der beiden Gemelli? Von Federico oder von Lorenzo?«, fragte sie nüchtern.
»Ich weiß es nicht. Es ist beides möglich«, erwiderte Giulia leise.
Antonella nickte. Sie hatte schon sehr früh bemerkt, was sich abspielte. Aber seit Federico
sie losgeschickt hatte, Giulia einen Koffer voll Dessous, Kleidung und Schuhen zu kaufen,
war es sonnenklar, dass sie das Mädchen zu ihrer Gespielin gemacht hatten.
Allmählich beruhigte Giulia sich ein wenig und hörte auf zu weinen. Sie schaute Antonella
ängstlich an. »Was soll ich denn jetzt machen?«
Antonella erhob sich. »Darüber werden wir gemeinsam nachdenken. Es gibt immer eine
Lösung. Aber – ist dir eigentlich schon mal der Gedanke gekommen, dass einer der beiden die
Porzellanfigur absichtlich zerstört haben könnte, um einen Grund zu haben, dich gefügig zu
machen?«
Sekunden später bereute sie, ihre Vermutung ausgesprochen zu haben, denn auf einmal
wurde Giulia kalkweiß. Sie saß mit offen stehendem Mund vor ihr, brachte kein Wort über
die Lippen. In ihrem Kopf rotierte es. Antonella hatte recht! Es passte alles exakt zusammen.
Niemand hatte ihr geglaubt, man hatte sie in die Enge getrieben, und dann hatte sie die Schuld
auf sich genommen und hatte sich in dem Netz, das Federico gesponnen hatte, verfangen! Ja,
sie war sich jetzt sicher, es war Federicos hinterhältige Idee gewesen, denn er war von Anfang
an die treibende Kraft!
Ihre Übelkeit verstärkte sich, und im letzten Moment sprang sie auf und stürzte zur Tür
hinaus, um sich auf der Toilette zu übergeben.
***
»Ich weiß nicht, ich halte das nach wie vor für keine gute Idee!«, jammerte Giulia zum x-ten
Mal.
Nachdem Antonella sie nicht überreden konnte, den Morenos von ihrer Schwangerschaft zu
erzählen bevor sie abreiste, beschloss sie, Giulia wenigstens zu jemandem zu bringen, der auf
sie aufpassen und ihr helfen würde, und vielleicht mehr Einfluss auf sie hatte. Das Mädchen
war viel zu durcheinander, um sie in diesem Zustand alleine zu lassen. Sie nahm ihr das
Versprechen ab, auf sie zu warten, und Giulia war zu durcheinander und eingeschüchtert, um
ihr Gepäck zu nehmen und abzuhauen. Antonella informierte kurz die Mamsell und holte den
Autoschlüssel des Fiats. Dann lud sie gemeinsam mit
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