Verführung Der Unschuld
dem Mädchen ihr Gepäck ein.
»Wo wolltest du denn hin?«, fragte Antonella unterwegs. »Zu deinen Eltern?«
»Nein, um Himmels willen, ich weiß noch gar nicht, wie ich ihnen das beibringen soll. Sie
werden total schockiert sein.« Allmählich reifte in Giulia die Erkenntnis, dass sie das Baby
auf keinen Fall auf die Welt bringen würde. Sie musste es loswerden, bevor ihre Eltern davon
erfuhren. »Kennst du nicht einen Arzt, der Abtreibungen macht?«, fragte sie leise.
Antonella bremste so scharf, dass der Wagen beinahe von der Fahrbahn abgekommen wäre.
Glücklicherweise fuhr niemand hinter ihnen.
»Hör auf! Denk nicht mal daran, es zu tun! Du wirst dieses Kind bekommen, und die
Morenos werden dafür bezahlen, wie es sich gehört, indem einer der beiden dich heiratet!
Schließlich gehören zum Kindermachen immer mindestens zwei, und in deinem speziellen
Fall sogar drei!«
»Nein, nein«, jammerte Giulia. »Ich will keinen Mann heiraten, der mich nicht liebt! Die
beiden haben immer gesagt, ich sei dafür zuständig, zu verhüten. Ich konnte doch nicht ahnen,
dass dieses eine Mal, als ich die Pille vergessen und erst morgens genommen habe, und dann
wahrscheinlich wieder ausgekotzt, weil mir vom Autofahren schlecht war – dass ich dann
gleich schwanger werde!« Erneut begann sie herzzerreißend zu weinen.
Antonella verdrehte die Augen und seufzte. Sie fuhr wieder los. »Dann werden die Morenos
auf jeden Fall die Alimente bezahlen!«
»Bring mich zum Bahnhof!«
»Den Teufel werde ich tun! Ich bringe dich zu jemandem, der dir helfen kann!«
»Wohin?«
Antonella zog es vor zu schweigen. Sie konzentrierte sich auf den dichter werdenden
Verkehr und bog auf die Schnellstraße nach Lucca ab. Giulia war zu erschöpft und
verzweifelt, um weitere Fragen zu stellen. Schließlich hielten sie vor einer prächtigen
Stadtvilla.
»Wir sind da. Du kannst aussteigen.«
Giulia blickte misstrauisch auf das Eingangsportal, über dem das Wappen der Morenos
prangte. Sie erinnerte sich, dass sie schon einmal aus einem anderen, erfreulicheren Anlass
hier gewesen war. »Was soll ich hier?«
»Keine Widerrede. Los steig aus und komm mit.« Antonella packte Giulia ungeduldig am
Arm, zog sie aus dem Wagen und schob sie vor sich her. Sie klingelte und ignorierte Giulias
schwache Proteste.
***
Die Patrona war ziemlich überrascht, als das Dienstmädchen ihr die beiden Frauen
ankündigte. Es musste schon einen besonderen Grund geben, wenn Antonella und Giulia um
ein dringendes Gespräch baten, und sie war neugierig, um was es sich handelte. Deshalb
empfing sie die beiden sofort.
Als sie Giulias verweintes Gesicht sah, bat sie die beiden, sich erstmal hinzusetzen und
orderte Tee. Tatsächlich wirkte die Wärme des Tees beruhigend auf Giulia, während
Antonella es übernahm, das Wesentliche zu erklären. Die Patrona war überrascht zu hören,
dass Giulia die Geliebte ihrer beiden Söhne wäre, von einem der beiden schwanger, und
warum sie davonlaufen wollte. Ein Enkelkind – darauf wartete die Mutter der Gemelli schon
lange!
Giulia gewann sofort das Herz der Patrona. Die Tatsache, dass sie ohne geliebt zu werden,
keinen ihrer Söhne heiraten wollte, und dass sie nicht auf die Zahlung von Alimenten aus war,
machte sie zur idealen Schwiegertochter. Außerdem war sie hübsch, hatte ein nettes und
natürliches Wesen und war fleißig.
»So, jetzt habe ich von Antonella schon einiges gehört. Nun möchte ich, Giulia, dass du mir
erzählst, warum du dich auf meine beiden Söhne eingelassen hast! Was haben sie dir
versprochen?«
Giulia war verblüfft, dass die Patrona so unverblümt fragte. Es war ihr mehr als peinlich,
dass Antonella sie hierher gebracht hatte. Stockend begann sie zu erzählen, nicht jedes Detail,
aber genug, dass die Patrona ein völlig neues Bild von ihren Söhnen erhielt.
Signora Moreno ließ sich nichts anmerken. Aber sie war entsetzt zu hören, wie Federico und
Lorenzo in Giulia das passende Opfer für ihre Spiele gefunden und sie von sich abhängig
gemacht hatten. Als Giulia einen letzten Versuch unternahm, sich der Situation zu entziehen,
sprach Signora Moreno ein Machtwort. »Mein liebes Kind, du gehst nirgendwohin. Du bleibst
erstmal hier und lässt mich machen!« Dann schlug sie angesichts von Giulias verzweifelter
Miene einen sanfteren Ton an, damit sie nicht wieder zu weinen anfing. »Wie steht es denn
eigentlich mit dir und deinem Herzen? Du sagst, du willst keinen Mann heiraten, der dich
nicht liebt –
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