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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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einer der Hauptgründe, weshalb er im Gefängnis sitzt, hat mit Vidar zu tun. Ich war … mit anderen Dingen beschäftigt, als Vidar umgebracht wurde, aber jetzt bin ich wieder zurück. Und ich möchte mir gerne einen Überblick verschaffen.«
    Sie sieht ihn an. Eine Katze schleicht um ihre Beine, ehe sie über die Steinfliesen davonhuscht.
    »Hätten Sie etwas Zeit? Das wäre sehr hilfreich für mich.«
    Otnes zögert, dann nickt sie. »Setzen wir uns da drüben hin«, sagt sie und zeigt auf eine Sitzgruppe im Garten. Ein Sonnenschirm taucht die grauen Fliesen in noch grauere Schatten.
    »Danke.«
    Irene Otnes entschuldigt sich kurz und geht ins Haus, um eine Jacke zu holen.
    »Schönes Haus«, sagt Henning, als sie sich setzen.
    Otnes nickt stolz. »Danke.«
    »Sehr ungewöhnlich für Oslo. Leben Sie allein in dem riesigen Haus?«
    »Ich habe meine Katze«, antwortet sie und lächelt kurz, als ein Windstoß in ihr Haar greift. Eine beklemmende Stille schiebt sich zwischen sie.
    »Sie betreiben also eine Messerschleiferei?«, fragt Henning weiter.
    »So ist es. Offenbar etwas, das auch sehr ungewöhnlich ist. Die meisten Leute kaufen heutzutage lieber gleich etwas Neues, wenn das Alte stumpf wird. Wegwerfmentalität. Uns geht es zu gut.«
    Henning nickt. »Schleifen Sie hauptsächlich Messer?«
    »Ja.«
    »Wie ist es mit Äxten?«
    »Nein. Wenn ich je eine Axt bekommen hätte, würde ich mich daran erinnern.«
    »Das heißt, es war in all den Jahren keine Axt dabei?«
    »Nein. Warum fragen Sie? Ich dachte, wir wollten uns über Vidar unterhalten?«
    Henning legt eine kurze Pause ein, ehe er Anlauf nimmt. »Ich will ehrlich sein, Irene, ich bin nicht nur hier, um über Vidar zu reden. Die Umstände seines Todes scheinen mir im Großen und Ganzen geklärt zu sein. Mich interessieren mehr die Geschehnisse danach, also das, was zwischen Jocke Brolenius und Tore Pulli passiert ist.«
    »Die Situation ist ganz schön eskaliert«, sagt sie und schüttelt den Kopf.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich denke an die endlosen Diskussionen, die wir in den Wochen danach hatten.« Wieder schüttelt sie den Kopf.
    »Sie waren, wenn ich das richtig verstanden habe, eine eifrige Fürsprecherin, Vidar zu rächen, stimmt das?«
    »Ja, ich war so schrecklich wütend und traurig. Inzwischen sehe ich das Ganze etwas anders. Nach Jockes Tod habe ich festgestellt, dass sich dadurch nichts ändert. Ich bin immer noch schrecklich traurig.«
    Henning nickt. »Ich habe gehört, dass Vidar irgendwann zu Tore gegangen ist und ihn um finanzielle Unterstützung für Kraft & Respekt gebeten hat. Stimmt das?«
    »Das ist richtig, ja.«
    »Aber Tore hat abgelehnt?«
    Sie schüttelt verächtlich den Kopf. »Tore ist sein Reichtum zu Kopf gestiegen, wissen Sie. Diesem Businessman . Er hat keine Investition getätigt, wenn am anderen Ende nicht ein saftiger Gewinn winkte.«
    »Haben Vidar und er sich deswegen zerstritten?«
    »Nein, dazu hätte es mehr gebraucht. Die beiden waren schon zu lange befreundet.«
    Henning nickt nachdenklich. »Glauben Sie, dass Tore schuldig ist?«
    »Was soll ich dazu sagen?«
    »Ein einfaches Ja oder Nein würde mir schon reichen.« Henning versucht sich an einem Lächeln.
    »Ich denke, ich möchte mich dazu nicht äußern.«
    »Warum nicht?«
    »Wegen Veronica. Ich möchte nicht, dass sie solche Äußerungen von mir in der Zeitung liest. Wir reden über alles, wissen Sie, und ich habe sie unterstützt, wo ich nur kann. Und ich will ihr nicht sagen, dass ich ihrem Mann nicht glaube.«
    »Das wird nicht in der Zeitung erscheinen, das verspreche ich Ihnen. Dann glauben Sie also, dass er schuldig ist.«
    Sie sieht ihn eine Weile an, dann nickt sie.
    »Weil?«
    »Weil er schon immer ein Talent hatte, jeden um den Finger zu wickeln. Und weil er oft gelogen hat.«
    Henning rutscht auf die vordere Stuhlkante. »In welcher Hinsicht?«
    »In kleinen und großen Dingen. Das hat Vidar auf die Palme gebracht. Als Vidar das Kraft & Respekt eröffnet hat, hat Tore ihm immer wieder seine Hilfe angeboten. Aber wenn Vidar wissen wollte, ob er dieses oder jenes erledigt hatte, ob er eingekauft, etwas Bestimmtes besorgt oder den Klempner angerufen hatte, der dringend kommen musste, antwortete Tore immer mit Ja, hätte er. Hinterher stellte sich meistens raus, dass er gar nichts getan hatte.«
    Henning spürt ein Ziehen im Magen.
    »Es waren immer wieder solche Kleinigkeiten. Nicht reservierte Kinotickets oder Hotelzimmer, so Sachen eben. Einmal,

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