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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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unvorhergesehenen Schaden zu beheben oder das Dach zu reparieren.
    Und so lud ich Nacht für Nacht meine Werkzeuge auf den Karren – Schultereisen, Spatel, Kehrstangenhaspel, Leinsterne, Kugelschlag, ein Seil, eine Leiter und Zuggewichte – und machte mich auf den Weg, freilich nicht, ohne mir zuvor die traurige Umarmung meiner Gemahlin und des noch schlaftrunkenen Kleinen anzusehen. Cloridia hasste mein gefahrvolles Gewerbe, sie verbrachte schlaflose Nächte mit Bittgebeten, mir möge ja nichts zustoßen.
    Fest in mein kurzes, schwarzes Mäntelchen gewickelt, war ich, wenn das erste Licht des Morgens graute, schon bis in die hintersten Stadtviertel oder umliegenden Dörfer gelangt. Hier bot ich mit dem Ruf «Schornsteinfeeeeger, Schornsteinfeeeeger!» meine Dienste an.
    Nicht selten erhielt ich als Antwort böses Gebrummel und hässliche Gesten, die das Unheil abwenden sollten: Der Schornsteinfeger kommt im Winter, mit ihm bricht das schlechte Wetter an, also gilt er als Unglücksbringer. Öffnete man uns jedoch die Tür, bekam der Kleine, wenn wir Glück hatten, von einer mitleidigen Hausfrau eine Tasse heiße Brühe und Brot.
    Das schwarze Wams, dessen Knöpfe links unter dem Arm saßen, damit sie sich nicht im Kamin verfingen, bis zum Hals zugeknöpft und auch die Ärmel am Handgelenk mit Bändern zugezogen, damit kein Ruß eindrang, die Kniehosen aus glattem, einfachem Barchent, der keinen Schmutz aufnahm, Flicken zur Verstärkung auf Knien, Ellenbogen und Gesäß, jenen Stellen, die sich am stärksten abnutzten, wenn ich durch die engen Schächte kletterte – das war mein Dienstkleid, welches mich, da es so eng saß und gänzlich schwarz war, fast so klein und mager wie mein Knäblein aussehen ließ, sodass viele mich für seinen um wenige Jahre älteren Bruder hielten.
    Wenn ich mich durch den Rauchfang nach oben schlängelte, steckte ich den Kopf in einen am Hals dichtverschlossenen Leinensack, um mich wenigstens teilweise vor dem Einatmen des Rußes zu schützen. In solcher Vermummung gemahnte ich an einen zum Tod durch den Strang Verurteilten. Ich war vollkommen blind, doch im Schornstein musste man ohnehin nicht sehen können: Man arbeitete, indem man sich mit den Händen vorantastete und mit dem Schultereisen kratzte.
    Der Kleine blieb unten, und jedes Mal zitterte er vor Angst, mir könne etwas zustoßen und ich würde ihn ganz allein lassen, weit weg von seiner lieben Mama und den Schwestern.
    Allerdings blieb ich barfüßig, wenn ich durch den Kamin und aufs Dach stieg, um mich besser abstützen und hochstemmen zu können. Das Problem war nur, dass ich meine Füße auf diese Weise zu unförmigen, mit Blutergüssen und Wunden übersäten Gebilden machte und mich den ganzen Winter lang, also in der Zeit, wo es am meisten Arbeit gab, nur unsicher und humpelnd fortbewegen konnte.
    Auf den Dächern zu arbeiten, konnte sehr gefährlich werden, und trotzdem war es eine Kleinigkeit für jemanden, der wie ich einmal die Kuppel von St. Peter bestiegen hatte.

    Doch das leidvollste Kapitel unserer Armut war nicht einmal mein erbärmliches Gewerbe, sondern das Schicksal unserer beiden Mädchen. Meine Töchter waren leider immer noch unverheiratete Jungfern, und alles ließ befürchten, dass sie es noch lange bleiben würden. Der Herrgott, ihm sei gedankt, hatte sie mit einer eisernen Gesundheit ausgestattet: Trotz der Entbehrungen waren sie schön, rosig und frisch geblieben («Einzig das Verdienst der dreijährigen Ernährung mit Muttermilch!», erklärte Cloridia immer wieder stolz). So prächtig und glänzend war ihr Haarschopf, dass sie jeden Samstagmorgen auf dem Markt ein paar Heller für die Haare bekamen, die bei der morgendlichen Toilette im Kamm geblieben waren. Ihre Gesundheit war wahrhaftig ein Wunder, denn um uns herum hatten Frost und Hungersnot eine große Anzahl Opfer gefordert.
    Meine beiden Jungfräulein hatten, liebenswürdig, gesund, schön und tugendhaft, wie sie waren, nur einen einzigen Makel: Sie verfügten über keinen Heller Mitgift. Mehrmals schon waren die Nonnen des Klosters von Santa Caterina Sopra Minerva zu uns gekommen, das die Familien armer Mädchen, welche die Gelübde ablegen sollten, jedes Jahr mit ansehnlichen Summen bedachte. Sie wollten mich überreden, meine Töchter gegen ein Häufchen Geld dem Kloster zu überlassen. Die robuste körperliche Verfassung und gute Gesundheit der beiden Mägdlein weckte Begehrlichkeiten bei den Schwestern, brauchten sie doch kräftige

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