Vermaehlung um Mitternacht
seinen erstaunten Augen aufzublühen begonnen. Modisch gekleidet und frisiert, kam sie seinem müden Hirn ebenso anziehend vor wie eine Sirene aus der griechischen Mythologie.
Er seufzte schwer. Er wollte vom Leben doch nur ein paar einfache Freuden: Wein, Weib und ein wenig Gesang. Und trotzdem war er nun mit einer Frau verheiratet, die nur an fremdes Elend dachte und sich für die Freuden des Daseins nicht im Mindesten interessierte.
Alec richtete den verschwommenen Blick auf seinen Butler. „Sagen Sie mir, Burroughs, lachen Sie eigentlich jemals?“
„Ja, Sir. Ziemlich oft.“ Der Butler packte Alec am Arm und führte ihn zur Treppe. „Doch verkneife ich es mir immer so lange, bis Sie den Raum verlassen haben.“
„Das freut mich aber, dass Sie ...“ Alec blieb stehen, den Fuß auf der untersten Treppenstufe. „Das war ja ein Witz.“
„Eine kleiner, Mylord. Soll ich einen weiteren Anlauf unternehmen?“
„Himmel! Sie sind mir ja vielleicht einer, Burroughs!“
„Danke, Mylord. Wollen wir zu Ihrem Gemach weitergehen? Ihre Gattin hat sich schon Sorgen gemacht.“
Alecs Grinsen erlosch. Er hatte seine Freiheit eingebüßt. Nie wieder würde er sich irgendwie amüsieren können ohne den lästigen Gedanken, dass Julia es missbilligte.
Auch wenn er sich einredete, es gebe keinen Grund, warum er sich etwas daraus machen sollte, musste er sich doch andauernd vorstellen, wie sich die atemlose Bewunderung in ihrem Blick in kritische Verurteilung verwandelte. Und aus irgendeinem Grund wollte er sich ihre Bewunderung erhalten.
Er konnte nicht leugnen, dass sie eine leidenschaftliche Frau war, er hatte es in ihren Augen erkannt, auf ihren Lippen geschmeckt. Doch es war eine unschuldige Leidenschaft, keusch und rein, die einer lebenslangen Selbstverleugnung entsprang. Es wäre närrisch zu glauben, dass ihre Reaktion allein ihm galt. Wenn ein anderer Mann so wagemutig gewesen wäre, sie zu küssen, hätte sie auf genau dieselbe sinnliche Weise reagiert.
Der Gedanke schmerzte ihn. Alec schüttelte die Hand des Butlers ab und strebte auf die Bibliothek zu. „Noch einen Drink.“
Burroughs seufzte und nahm sein Tablett wieder auf. Er folgte Alec in die Bibliothek und platzierte die Milch strategisch neben der Brandykaraffe.
Alec ignorierte das Glas und trat zum Kamin, wo die Glut noch unruhig flackerte. Er fügte noch ein Scheit hinzu und richtete sich auf, wobei etwas unter seinem Stiefel knirschte. Im Schein des aufflammenden Feuers erkannte er einen Splitter. Alec hob ihn auf und hielt ihn ins Licht. Es glänzte bläulich weiß - ein Stück Porzellan.
Im nächsten Moment stand Burroughs neben ihm. „Ich kümmere mich darum, Mylord.“
Bevor er etwas antworten konnte, hatte ihm der Butler schon die Scherbe aus der Hand genommen und mit einem Gutenachtgruß den Raum verlassen.
Alec starrte auf die Tür. Was war denn das gewesen? Er suchte nach weiteren Scherben, fand aber keine.
Benommen richtete er sich auf und ging zur Anrichte. Darauf also hatte sich sein Leben reduziert - in seinem Heim nach herumliegenden Scherben zu suchen.
In Wahrheit langweilte er sich einfach. Nichts machte ihm mehr Spaß, und auch wenn er sich einzureden versuchte, es liege daran, dass ihm seine üblichen Vergnügungen verboten waren, wusste er doch, dass das nicht stimmte. Die Unruhe, die sich in ihm regte, begleitete ihn schon, solange er denken konnte. Bisher war es ihm gelungen, sie mit hirnlosen Vergnügungen zu verdrängen, doch jetzt war dieses dunkle Gefühl durch seine Träume von einer halb bekleideten Julia zum Leben erweckt worden, die ihm den breiten, sinnlichen Mund öffnete, ihn näher an sich zog, als sie ...
„Ich brauch was zu trinken.“ Alec goss sich ein Glas Brandy ein und trank auf die Spielhöllen und geschminkten Damen seiner Vergangenheit. Und wegen des verfluchten Testaments und Julias strengen Regeln musste er nun selbst auf diese armseligen Vergnügungen verzichten. Wieder einmal war er allein - nur dass er jetzt mit einer Frau geschlagen war, die er niemals würde berühren dürfen. Warum nur hatte er sich auf diese unmögliche Bedingung eingelassen?
„Weil du verzweifelt warst und sie es wusste“, murmelte er und trank den Brandy aus. Er löste sein Halstuch und warf es auf den Boden. Dann knöpfte er Weste und Hemd auf, bis er endlich wieder frei atmen konnte.
Danach goss er sich noch einen Brandy ein und ließ sich mit einem tiefen Seufzer in seinem Lieblingssessel nieder.
Und fiel
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