Versprechen eines Sommers
Hausmeistern, Fahrern und der Reinigungscrew Unterkunft. All den unsichtbaren Geistern, die rund um die Uhr arbeiteten, um dafür zu sorgen, dass Camp Kioga wie ein Stück unberührter Natur aussah.
Mr Davis war ein Einzelgänger. Er fuhr einen alten Jeep und sah oft müde aus, Anzeichen dafür, dass er bald wieder einen „freien Tag“ einlegen würde, wie ihr Granddad es nannte.
„Es tut mir wirklich, wirklich leid“, sagte sie zu Connor.
„Du musst kein Mitleid mit mir haben.“
„Das hab ich auch nicht. Es tut mir leid, dass ich das über deinen Vater gesagt habe. Das ist ein Unterschied.“
Connor schüttelte sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. „Gut zu wissen.“
„Er hat nie erwähnt, dass er ein Kind hat.“ In der Sekunde, wo die Worte ausgesprochen waren, fiel ihr auf, dass alles nur noch schlimmer wurde, je öfter sie ihren Mund aufmachte. Ihr Mund war wie ein Bagger, der mit jeder Bewegung tiefer grub. „Ich meine, ich habe nie …“
„Er wollte nicht, dass ich den Sommer über herkomme, aber meine Mutter hat wieder geheiratet, und ihr Mann wollte kein Kind bei sich haben“, unterbrach Connor sie. „Er sagte, drei sind in unserem kleinen Trailer einer zu viel.“
Lolly dachte an die Prellung, die sie gesehen hatte. Dieses Mal erinnerte sie sich rechtzeitig daran, den Mund zu halten.
„Ein Trailer bietet nicht viel Platz für drei Personen, aber ich schätze, von so was hast du keine Ahnung“, fügte er hinzu. „Du lebst sehr wahrscheinlich irgendwo in einer riesigen Villa.“
Zwei Villen, dachte sie. Eine für jedes Elternteil. Was nur bewies, dass man sich in der Fifth Avenue genauso schlecht fühlen konnte wie in einer Baracke. „Seit ich acht war, haben mich meine Eltern jeden Sommer weggeschickt“, sagte sie. „Vielleicht, um mich aus dem Weg zu haben, damit sie streiten konnten. Denn ich habe sie nie streiten gehört.“ Wenn ich es getan hätte, überlegte Lolly, wäre die Scheidung vielleicht nicht so ein Schock für mich gewesen.
„Als meine Mutter herausfand, dass ich wegen meines Vaters kostenlos hierherkommen konnte“, erklärte Connor, „war mein Schicksal besiegelt.“
Lolly setzte die Fakten in ihrem Kopf zusammen, wie ein Detektiv. Wenn er umsonst hier war, hieß das, dass er ein sogenannter Stipendiumscamper war. Jedes Jahr konnten bedürftige Kinder dank eines von ihren Großeltern ins Leben gerufenen Programms kostenlos am Camp teilnehmen. Es waren Kinder, die ein hartes Leben hatten und „gefährdet“ waren, auch wenn sie nicht genau wusste, was das bedeuten sollte.
Im Camp zogen sich alle gleich an, wohnten, schliefen und aßen gleich. Man sollte nicht wissen, ob das Kind neben dir am Tisch ein Crackbaby oder ein saudischer Prinz war. Manchmal war es trotzdem offensichtlich. Die Stipendiumskinder sprachen anders und sahen auch oft anders aus. Einige verrieten ihre schlechten Zähne, andere ihre mangelnden Umgangsformen. Manchmal war auch eines dabei, das wie Connor diesen harten, gefährlichen Ausdruck hatte, der die anderen warnte, dass er keine Almosen brauchte. An ihm war nichts Bedürftiges, kein Anzeichen dafür, dass er „gefährdet“ war. Außer dieser Schmerz in seinen Augen, als sie seinen Vater einen Alkoholiker genannt hatte.
„Ich komme mir total bescheuert vor“, wiederholte sie. „Und ich fühle mich schrecklich. Ich hätte nichts sagen sollen.“
„Stimmt. Das hättest du nicht. Du verrücktes Huhn. Kein Wunder, dass du einen Therapeuten brauchst.“ Er stieß seinen Stock energisch in die Erde und zog das Tempo an. Es sah so aus, als wenn er nicht mehr mit ihr reden würde. Nie wieder.
Na gut, dachte sie. Sie hatte es vermasselt, so wie sie es immer tat, wenn es um andere Kinder ging. Und er würde sehr wahrscheinlich dafür sorgen, dass alle Welt davon erfuhr. Er würde vermutlich erzählen, dass sie wegen der Scheidung ihrer Eltern so sehr ausgeflippt war, dass sie zur Therapie musste. Und bestimmt würde er auch erzählen, dass er sie hatte weinen sehen. Sie hatte sich einen Feind fürs Leben geschaffen.
Sie trottete weiter und fühlte sich mit jedem Schritt verschrobener und verschwitzter. Du bist so eine Idiotin, Lolly Bellamy, verfluchte sie sich innerlich. Jedes Jahr kam sie mit lächerlich hohen Erwartungen ins Camp Kioga. Dieses Jahr wird es anderes sein. Diesen Sommer werde ich Freunde finden, eine Sportart erlernen, mein eigenes Leben leben – nur diese eine Mal.
Aber sobald sie auf dem Weg hierher
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