Verstrickung des Herzens
Herz schlug wie rasend. Viel zu gut kannte sie diese Augen. Und sie spürte erneut das blaue Feuer.
Nun nannte er sich Running Bear. Aber er hatte James McKenzie geheißen, an jenem Abend, an dem er ihr zum erstenmal begegnet war, im weißen Rüschenhemd mit roter Weste, in dunklen Breeches und schwarzen Stiefeln. Sie hatte ihn in der Welt des weißen Mannes gesehen, seine Eleganz auf der Tanzfläche beobachtet, seinen Argumenten gelauscht, die er so beredsam vorzubringen wußte. Alle Frauenherzen pochten schneller vor Erregung, denn obwohl er einem zivilisierten Gentleman glich, umgab ihn eine gefahrvolle, hypnotisierende Aura.
Er war jedoch kein zivilisierter Gentleman, er hatte sich nur verkleidet, und er spielte die Spiele der Weißen. Im blauen Feuer seiner Augen glühte eine wilde Bitterkeit. Nicht mit Waffen hatten die Weißen seine Familie getötet. Nach der Flucht seines Stammes vor den amerikanischen Siedlern war eine Fieberseuche im Sumpfgebiet ausgebrochen und hatte zahlreiche Indianer dahingerafft. Um ihres Vaters willen haßte er Teela.
Trotzdem schien er sie zu begehren, was sie entsetzte und zugleich faszinierte. Irgend etwas zwang sie, seine Nähe zu suchen, obwohl sie besser davongelaufen wäre. Er gehörte nicht zu ihrer Welt. Einerseits wollte sie beteuern, sie sei nicht schuld an den Taten ihres Vaters, andererseits grollte sie ihm, weil er sie so rückhaltlos verachtete. Wie auch immer, er hatte sie unwiderstehlich in seinen Bann gezogen.
»Schau mich an!« befahl er. Beinahe hätte sie gelacht. Inmitten dieser halbnackten, mit Federn und Silberketten geschmückten, mit Messern und Äxten und Gewehren bewaffneten Wilden klang sein makelloses Englisch absurd. Genausogut hätte er sie bitten können, ihm eine Tasse Tee einzuschenken.
Sie öffnete die Augen und überlegte, was seine Ankunft bedeuten mochte. Würde sie am Leben bleiben oder einfach nur etwas langsamer sterben?
Nicht einmal er konnte etwas an der Tatsache ändern, daß sie Michael Warrens Stiefkind war, die Tochter des Mannes, der seinem Volk so viel angetan hatte.
Entschlossen biß sie die Zähne zusammen und bekämpfte ihr Zittern. Nein, er würde sie nicht einschüchtern. Von Anfang an war er verbittert gewesen. Er hatte sie nie geliebt, nicht einmal gemocht, sondern gehaßt, vielleicht auch sich selbst, weil es eine Weiße war, zu der er sich hingezogen fühlte. Aber diese seltsamen wilden
Flammen loderten zwischen ihnen, ob es ihm gefiel oder nicht. Damals hatte sie ihre Angst verborgen. Auch jetzt wollte sie ihm die Stirn bieten.
»Offensichtlich gehörst du zu diesen roten Kriegern. Worauf wartest du?« forderte sie ihn heraus. »Töte mich! Bringen wir's hinter uns! Nimm dir doch ein Beispiel an deinen Leuten, die diese Männer skrupellos niedergemetzelt haben!«
»Es war ein fairer Kampf«, entgegnete er, und seine Augen verengten sich.
»Nein, ein Hinterhalt.«
»Der Kommandant deiner Truppe hat die Vernichtung zweier Stämme angeordnet — von Männern, Frauen und Kindern, von Babies im Mutterschoß ... Und da sollten die Krieger Gnade walten lassen?«
»Natürlich, du kennst keine Gnade . . .« Teela verstummte zögernd. Was den Captain betraf, hatte James die Wahrheit gesagt. »In dieser ganzen verdammten Hölle gibt es keine Barmherzigkeit. Ich weiß, daß ich sterben muß. Also laß mich nicht länger leiden. Mach ein Ende!«
»Ein Ende?« Spöttisch hob er die Brauen und neigte sich zu ihr hinab. »Aber wir Wilden ziehen es vor, unsere Opfer endlos lange zu martern. Besonders die widerspenstigen ...«
Obwohl ihr das Blut in den Adern zu gefrieren drohte, glaubte sie, ihre Haut müßte verbrennen — überall, wo er sie berührte. Sie hörte die Stimmen der Krieger, die in den Habseligkeiten der Soldaten wühlten. Vor allem suchten sie Lebensmittel. Das wußte Teela. Die weißen Militärs wandten jene besondere Taktik an, die Indianer auszuhungern, um ihre Kapitulation zu erzwingen.
»Warum hast du diese Männer begleitet?«
Inzwischen war nächtliches Dunkel hereingebrochen, verbarg die Leichen und die Krieger, die sorgfältig die Taschen der Toten durchstöberten, auf der Suche nach ein paar Bissen.
Das konnte sie ihnen nicht übelnehmen. Oft genug war sie erschauert, wenn ihr Stiefvater genüßlich seine brutalen Attacken gegen die Indianer geschildert hatte. Nicht alle Soldaten waren so unmenschlich. Viele strebten ein friedliches Zusammenleben mit den Ureinwohnern an. Aber auch sie bekamen die
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