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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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sie in einer solchen Situation gehandelt hätte. Als Dienstmädchen, das auf einmal Herrin des Hauses war. Wahrscheinlich hätte sie auch als Erstes die Schränke und Truhen durchstöbert. Junge Mädchen blieben junge Mädchen. Ob sie heutzutage in knallengen Leggins über den Krakówer Schlossplatz schlenderten oder damals der Versuchung, einmal ein seidenes Kleid zu tragen, nicht widerstehen konnten. Und dann kam ein junger, ernsthafter Mann, der das Schlimmste überlebt hatte. Der an nichts anderes dachte als den Wiederaufbau seines Landes. Wann hatte er sich in Magdalena verliebt? Noch vor seiner Deportation? Hatte er in den Stollen von Nordhausen, im Angesicht des Todes, an eine Deutsche gedacht?
    »Ab und zu hatte sie eine Spange oder eine Brosche, mit der sie auf dem Schwarzmarkt das Nötigste kaufen konnte. Ihre Familie ist im Februar fünfundvierzig über die Odra, sie wollten zu Verwandten in die Nähe von Dresden. Später haben die Leute erzählt, man hätte den Feuerschein der brennenden Stadt bis Jelenia Góra gesehen. Hirschberg hieß der Ort damals, und ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber Lenka hat in dieser Nacht alle ihre Leute verloren, und so ist sie hiergeblieben.«
    Er holte tief Luft.
    »Ich hätte mir gerne eingeredet, es wäre wegen mir gewesen. Oder meinetwegen, weil sie nicht mehr wusste, wohin. Doch eines Tages habe ich sie erwischt. Sie trug einen Korb mit Kartoffeln und rotem Düngesalz aus Kali, das einzige Salz, das man in dieser Zeit bekommen konnte. Damit lief sie zum Weinberg von Johannishagen, so hieß das Dorf damals. Ich hielt sie an, und sie musste mir zeigen, was sie im Korb hatte. Die Sachen hatte sie eingetauscht gegen die Kleider und den Schmuck. Ich sagte ihr auf den Kopf zu: Du versteckst einen Deutschen. Das ist Hochverrat. Das bringt dich ins Lager. Denn wer sich damals versteckt hielt, der hatte auch allen Grund dazu.«
    Zuzanna blickte auf ihre Notizen.
    »War Hagen ein Nazi?«
    »Walther Hagen? Er war in der Partei. Also war er einer. Vielleicht hat er gedacht, das hilft ihm. Aber es half nichts. Irgendwann kam der Moment, wo den Deutschen der Krieg wichtiger war als der Wein. Butter oder Kanonen, nicht? Butter oder Kanonen. Und alle brüllen: Ja, wir wollen den totalen Krieg! Hagen war zu alt für den Krieg, dachte er. Doch zum Schluss haben sie auch die alten Männer und die Kinder geholt. Er kam an die Pętla Boryszyńska . In die Bunker.«
    In den Ostwall an die Burschener Schleife. Jedes Mal, wenn Zuzanna auf ihrem Weg von Poznań nach Zielona Góra an den großen Schildern vorüberfuhr, ärgerte sie sich. Die Bunker wurden angepriesen wie Abenteuerspielplätze. Väter kamen mit ihren Söhnen dorthin, um Panzer zu fahren. Ganze Trupps machten sich in Tarnkleidung auf, um in den Wäldern Schlachten nachzuspielen. In den Treppenschächten der gewaltigen unterirdischen Anlage gab es Freeclimbing-Kurse. Die Andenkenbuden verkauften Wurfmesser und Nachbauten der MGs 34 und 42. Handgranaten, Munition, Feldbetten – es fehlte nur noch die SS-Uniform. Auch die gab es unter so manchem Ladentisch. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was ein Psychologe dazu sagen würde. Welche Antwort er wohl hätte auf die Frage, warum die Insignien und Hinterlassenschaften der Nazis, die für Völkermord und Knechtschaft standen, bei einigen ihrer Landsleute eine solche Verzückung auslösten.
    »Und dann? Wie kam es, dass er sich auf seinem Gut verstecken konnte?«
    Zygfryd und sie saßen nebeneinander auf dem Bett. Sie hätte gerne die Beine ausgestreckt, aber dafür gab es keinen Platz.
    »Hagen muss irgendwie hinter die Front geraten sein. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber er ist zurück nach Janekpolana, ohne dass sie ihn geschnappt haben. Zurück in den Weinberg. Dort saß er und wartete.«
    »Wie lange?«
    »Bis er gestorben ist.«
    »Wie ist er gestorben?«
    Einen Moment lang befürchtete sie, Zygfryd würde ihr eröffnen, dass er Hagen an die Wand gestellt hatte. Sie mochte den alten Mann. Gegen alle Widerstände hatte er in einer Zeit, in der es fast unmöglich gewesen war, eine Deutsche geliebt und geheiratet. Er hatte sie beschützt, obwohl ihr Volk ihm so viel Schreckliches angetan hatte. Er versuchte, in seiner Erinnerung Gerechtigkeit walten zu lassen, und auch wenn es ihm nicht ganz gelang, war es doch auch ein Versuch, Mensch zu bleiben in schlimmsten Zeiten. Aber sie war nicht sicher, ob Zygfryd seine schützende Hand über Walther Hagen gehalten oder

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