Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
und Mutmaßungen entbehren jeglicher Grundlage! Ich höre mir das nicht länger an. Haben Sie verstanden? Verlassen Sie sofort unser Haus.«
Ich versuchte, einen Blick an ihr vorbei ins Innere des Ofens zu werfen. »Das setzen Sie Ihren Gästen doch nicht heute Abend vor, oder?«
Sie drehte sich um. Das Telefon begann an der Oberfläche zu brutzeln. Ein beißender Plastikgestank breitete sich aus.
»Nun machen Sie schon!«, bellte sie ihren Koch an. »Das ruiniert ja noch das ganze Essen.«
Der Mann warf mir einen entschuldigenden Blick zu, streifte sich zwei ellenbogenlange Isolierhandschuhe über, öffnete den Ofen und holte das schmurgelnde Gerät heraus. Unter Frau Wittichs triumphierendem Blick warf er es in eine Spüle und brauste es ab. Es zischte, stinkender Qualm stieg aus dem Becken. Frau Wittich begann zu husten.
»Das stelle ich Ihnen natürlich in Rechnung. Da ist die Tür.«
»Wenn Sie noch dazu kommen, Frau Wittich.«
Ich verließ die Küche und machte mich daran, meine Schar einzusammeln. Es spielten sich herzzerreißende Abschiedsszenen ab, untermalt von wiederholten Versprechungen, sich bald, ganz bald zu besuchen. Die ganze Rückfahrt nach Mitte erwartete ich, Vorwürfe zu hören. Doch es blieb still. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ich überlegte, ob Jacek und Zuzanna wohl schon fündig geworden waren. Es war verdächtig still um die beiden. Mein letzter Stand der Dinge war, dass sie sich getroffen und gemeinsam Walther Hagens Brief gelesen hatten. Irgendetwas lief zwischen den beiden. Wahrscheinlich wussten sie es selbst noch nicht. Aber wenn ich mich an unser Treffen in der Untersuchungshaftanstalt erinnerte, an Zuzannas Nervosität und Jaceks Unverschämtheiten, wenn ich weiter darüber nachdachte, wie sehr Zuzanna sich ins Zeug gelegt hatte, um ihm zu helfen, und wie Jacek das langsam zu dämmern schien – ganz abgesehen davon, dass ich spätestens bei seiner Frage nach Zuzanna als Frau hätte hellhörig werden sollen –, dann schien sich etwas ganz und gar Unwahrscheinliches anzubahnen zwischen der jungen Anwältin und dem ewigen Herumtreiber. Wenn Jacek etwas brauchte, dann eine Frau, die ihm das Wasser reichen konnte. Das Leben schenkte nicht viele Chancen. Er bekam gerade eine, vielleicht die größte seines Lebens. Sesshaft werden, einen Weinberg urbar machen, ein Sohn werden, der seinem Vater am Ende eines langen und schweren Lebens zur Seite stand. Und Zuzanna.
Wenn ihnen die Camerers das nicht alles nehmen würden. Sabine kam mir in den Sinn. Die öffentlichkeitsscheue Erbin. Jemand anders kam mit dieser Vorwahl nicht infrage. Ich würde ihr ein für alle Mal einen Strich durch die Rechnung machen. Das war ich Jazek schuldig. Und mir. Schließlich wollte ich polnischen Wein aus Janekpolana bis ans Ende meiner Tage.
Doch für so eine Person brauchte ich die Exekutive an meiner Seite. Vaasenburg musste mir helfen, an die Frau heranzukommen.
»Da wären wir.«
Ich fuhr links ins absolute Halteverbot und wunderte mich, dass die Fotogalerie schon wieder verschwunden und dafür ein Teppichladen eingezogen war. Schöne Teppiche. Bunte Muster, Koi-Karpfen, wilde weiße Pferde. Früher hatte man sich traubenessende Jungen an die Wand gehängt.
Ich hielt meiner Mutter die Wange für den Abschiedskuss hin. Sie tat wie geheißen.
»Was habt ihr vor? Ihr geht doch zur Polizei?«, fragte sie anschließend.
»Sobald du ausgestiegen bist.«
Marie-Luise half ihnen noch, die kleinen Koffer hineinzutragen. Wenig später kehrte sie zurück und löste mit ein paar ungeduldigen Handbewegungen die strenge Frisur.
»Und?«, fragte ich.
»Ich glaube, sie trauern der Gesellschaft ein wenig nach. Nicht dem Luxus, nicht dem Yoga. Aber dieser Art von nebeneinander und trotzdem miteinander wohnen.«
»Viertausend Euro. Dazu garantiert natürliche Todesursachen.«
»Ja, ich weiß. Wohin jetzt?«
»Nach Wannsee.«
43
Vaasenburg hatte samstags Schießtraining. Die Anlage befand sich unweit des S-Bahnhofs. Hier übten auch die GSG 9, die Scharfschützen und mehrere Bogensportvereine. Sie lag versteckt am Ende eines langen Uferweges, den kein Mensch ohne Ziel und neue Stoßdämpfer je eingeschlagen hätte. Am Ende angelangt öffnete sich das Dickicht zu einem großen Parkplatz, hinter dem mehrere Hallen und ein abgesperrtes Freigelände lagen.
Es war trocken und zumindest etwas wärmer. Neben uns hielt zeitgleich ein Bogenschütze. Er grüßte knapp, schulterte seinen Rucksack und
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