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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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die in sich selbst verzerrt war, einer visuellen Präsenz, deren Flanken mit funkelndem Leben gespickt waren und die materielle Kühle vermittelte zwischen meinen Fingern und auf der Haut. Die lange Schlange der Zeit und ich, eins und untrennbar, durchstreiften das Universum, schluckten nach Zitronen duftende Sonnen und schieden die blendenden Disharmonien von Novae aus. Zehntausend einzelne Bäche aus Kühle flossen über unsere dahingleitende Haut.
    Der rasch verfliegende, durchdringende Geschmackshauch von Licht und Schatten auf den glatten Schuppen der Schlange, ein Duft von Rot, eine Spur von Langsamkeit, der davonwehende Geruch bittersüßer Galaxien, unerreichbar, mysteriös, wunderschön … das alles vermischte sich mit dem Dröhnen und Klirren und Pfeifen und Sirren, als die Schlange und ich an den Saiten des Universums entlangschwebten: Lobgesänge der Ewigkeit, Harmonien aus Licht, die zarten Klänge aus den Pikkoloflöten der Meteore und Kometen, der Trommelwirbel von Sonnen und Planeten. Oh, es war wunderbar – funkelnd und schimmernd, entzückend und verlockend.
    Ich bin ein unendlich kleiner Lichtpunkt inmitten der weiten Sternenräume und umfassenden Leere, die ich selbst erschaffen habe. Wo? Wie? Womit? Warum? Das Universum lacht, Böen aus Heiterkeit, und ich bin nichts im Vergleich mit seiner gähnenden Leere, ein Tropfen, der nie mit dem Ozean verschmelzen kann, ein Staubkorn, das nie auf den Berg hinabzusinken vermag. Ich werde zermalmt, verschlungen, in Gleichgültigkeit ertränkt.
    Es ist nur eine Droge nur ein Trip nur ein Traum ich bin, ich bin, ich bin, ich bin …
    In meinem Zimmer. Von Wänden umgeben. Sicher. Geschützt. Geborgen. Abgeschirmt. Ruhe, der Kopf der Schlange zertreten. Ich hebe meine Hand und lache triumphierend.
    Meine Hand besteht aus Knochen. Die sich darüber spannende Haut ist wie eine halb durchsichtige Membran, die Finger gleichen Litzen aus dünnen Drähten, dicke Beulen auf dürren Handgelenken, scheckig, hornig, trocken. Die Haut auf Armen, Schultern und Bauch in losen Falten. Meine Brüste sind zwei schlaffe, leere, haltlose Beutel, die Schultern ragen eckig hervor und sind nach vorn gebeugt. Die Beine gekrümmt und kraftlos, gesäumt von dicken, hervortretenden blauen Adern. Ich hebe die Hand zum Gesicht, fühle die eisige Nässe des Speichels, der von rissigen Lippen rinnt, rauhes Haar auf einem spitzen Kinn und den stark gewölbten Buckel der Nase, die sich unter der Last vieler Jahre meinem Mund entgegenneigt. Nein! NEIN ! Das Geräusch, das ich höre, ist mein eigener Schrei. Der Schmerz, den ich spüre, wird verursacht von spitzen Fingernägeln, die sich ins Fleisch bohren. Der Duft, den ich wahrnehme, stammt vom Schweiß der Angst. Das bin ich nicht! Das bin ich nicht!
    Die Schreie erwecken Hände zum Leben, die auf meinem verfallenen Körper ruhen, starke Hände, von der Kraft und Wärme der Jugend erfüllt. Sie bewegen sich, um mich zu packen, hochzuheben und fortzuschaffen. Wo wollen sie mich deponieren? Wohin wollen sie mich fortschaffen? Ins Verwertungssystem. In die stille und entsetzliche Kühle der Leichenhalle, in einen Zoo, in einen Zoo. Ich schreie. Ich schreie, bis das Universum plötzlich einen schmerzlichen Kollaps erleidet. Die Sonnen erlöschen, und ich bleibe allein zurück in der unendlichen Schwärze.
    Plötzlich kam ich wieder zu mir, und als ich die Augen aufschlug, schrie Greg meinen Namen und drehte mich in den Armen herum, so daß mein Gesicht ihm zugewandt war.
    Er hielt mich ganz fest, seine Hände wie Schraubstöcke, und sein Gesichtsausdruck war angespannt und besorgt. Ich kämpfte mich aus seiner Umklammerung frei, schwankte durchs Zimmer und schaltete den Reflexionsschirm ein. Mein Spiegelbild sprang mir entgegen – ein schlanker Körper, wohlproportioniert, fest und geschmeidig. Nur die starre Leere in den Augen erinnerte mich an das, was ich zuvor gewesen war. Wie ich sein würde. Greg nahm mich in die Arme, als ich gegen den Schirm taumelte. Er wiegte mich hin und her und trug mich zum Bett zurück.
    „Tia, Liebste, Tia, ist mit dir jetzt wieder alles in Ordnung? Bist du wieder bei Sinnen, Tia? Ja?“
    Liebe und Kraft, Wärme und Geborgenheit. Ich sprang heraus aus dieser Sphäre der Behaglichkeit, lehnte mich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand und sah ihn an. Er saß auf dem Bett, eingehüllt von dem matten Blau des Kraftfeldes, und er machte einen verwirrten Eindruck.
    „Ich werde sterben“, flüsterte

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