Versunkene Inseln
ich, und dann noch einmal, lauter: „Ich werde sterben, Greg.“
„Aber Liebste, letztendlich werden wir alle sterben, auf die ein oder andere Weise. Komm zurück ins Bett.“
„Nein, du verstehst nicht. Ich werde sterben. Erst altere ich, bekomme Falten und Runzeln und werde häßlich, und dann schließlich sterbe ich.“
„Nein, das verstehe ich wirklich nicht. Tia, was ist los? Bist du noch immer auf dem Trip?“ Er warf einen Blick auf das Chronometer an der Wand.
„Nein, Greg, mein Liebling, hör mir zu. Sie haben nicht funktioniert. Die Behandlungen funktionieren nicht bei mir, überhaupt nicht …“
„Das glaube ich nicht. Du bist noch immer nicht ganz bei dir. Es ist meine Schuld, ich habe dir eine zu große Dosis gegeben. Komm, leg dich hin und schlaf; es ist bald vorbei.“ Er lächelte, nach wie vor besorgt, und breitete die Arme für mich aus.
Das Komterminal, hier, direkt neben mir. Es gelang mir, das Zittern meiner Hände lange genug zu unterbinden, um die Codenummer einzugeben, die die über mich im Behandlungszentrum gespeicherten Daten freigab, sammelte die Ausdrucke ein und reichte sie Greg.
„Hier. Lies das.“
„Nein. Tia, es ist schon spät. Schlafen wir, das hier geht vorbei, komm jetzt.“ Er nahm mir die Blätter aus der Hand und legte sie auf den Boden, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Dann trug er mich erneut ins Bett und drückte mich fest an sich. Seine Weigerung, einen Gedanken an meine Sterblichkeit zu verschwenden, erschien mir als die grausamste Ironie, die ich bisher erlebt hatte. Und ich lag still in seiner Umarmung, besiegt.
Die Zeit verging. Und als er glaubte, ich sei eingeschlafen, stand er auf, nahm die Papiere zur Hand und las sie in dem matten Schimmer der einen Glühkugel durch. Die Blätter raschelten leise, als er sie eines nach dem anderen studierte und dann fallen ließ. Schließlich kehrte er ins Bett zurück, nahm mich wieder in die Arme und wiegte uns beide. Dort, wo sein Gesicht meinen Hals berührte, spürte ich ein paar überraschende Tropfen Feuchtigkeit.
Als er schlief und gleichmäßig und geräuschvoll atmete, glitt ich aus dem Bett, warf meine Sachen in eine Tasche und glitt zur Tür. Dann, einer Eingebung folgend, nahm ich Kai-Yus zugestöpseltes Fläschchen aus dem Speicher und verstaute es ebenfalls in der Tasche. Ich verließ die Wohnung, eilte durch die frühmorgendliche Stille der Kuppel zur Station und stieg in einen Zug nach Luna. Während der nächsten neunzig Minuten war mein Geist genauso leer und öde wie die Landschaft außerhalb der Röhre.
Tief im Innern meines Körpers rührte sich zum erstenmal ein leichter Schmerz.
38
In jener Nacht konnte ich keinen Schlaf finden. Ich wurde geplagt von dem trüben Glanz in Pauls Augen, von plötzlich aufflammenden, alptraumhaften Bildern der Vergangenheit, an die ich mich wider Willen erinnerte, von drohendem Unheil, das an zukünftigen Schreckensgestaden auf mich lauerte. Ich verbrachte die Nacht zusammengekauert in dem leeren Minarett, in die orangefarbene Decke gehüllt. Rastlos beobachtete ich die fernen Sterne, und ich zögerte immer wieder, in die Kabine zurückzukehren, wo mich eine frische, schmerzliche Erinnerung erwartete.
Während dieser Nacht flammte wieder der Schmerz in meinem Rücken auf, doch ich wischte die Pein unduldsam fort und fühlte mich zu elend, um mich über diesen leicht errungenen Sieg über meinen Körper zu freuen. Kurz vor der Morgendämmerung gab ich jeden Gedanken an Schlaf auf, ließ die orangefarbene Decke einfach auf dem Boden des Minaretts liegen und schlich hinab zur Kombüse, um mir ein Frühstück zu machen. Trübes Licht tropfte durch die Küchentür, und ich sah Jenny, die allein am Arbeitstisch saß, über eine Tasse Kaffee gebeugt. Als ich eintrat, hob sie leicht überrascht den Kopf und ließ die Hände sinken, und der Blick, den sie mir zuwarf, drückte beinahe Erleichterung aus.
„Morgen“, sagte ich. „Kann ich auch eine Tasse Kaffee haben?“
Sie nickte müde, senkte den Kopf wieder und verbarg das Gesicht hinter den Händen. Ihr schwarzes Haar war durcheinander und zerzaust, und unter den Augen lagen dunkle Ringe. Ich schenkte mir eine Tasse ein und suchte in der Speisekammer nach einem Brötchen. Nachdem ich eins gefunden hatte, ging ich zur anderen Seite der Kombüse und schob es in den Backofen. Als ich an Jenny vorbeikam, hob sie ihre Tasse.
„Kann ich bitte noch etwas haben?“
Ich schenkte ihre Tasse
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