Versunkene Inseln
Viktoriasee. Tung-ting Hu. Tahoe. Baikal. Tschad. Maracaibo. Titicaca. Wie kann ein so kleiner Planet soviel Schönheit aufweisen? Der Nil, ein silberner Faden, der eine blühende Wüste durchzieht, Mississippi, Amazonas, Jenissej, Mackenzie. Kongo. Ob. Sao Francisco. Japurá, Euphrat, Sambesi. Ganges. Der Susquehanna. Der Westliche Bug. Streifen aus Wasser, Streifen aus Licht. Die Sahara, Shurt, Dasht-i-Margo, Gila. Negev, Morrope, Olmos, Gibson. Kyzly Kum. Die Wüste Atacama. Ust’-Urt. Namid. Dasht-i-Kavir. Das funkelnde Rückgrat des Himalaja, die Bergkette der Rocky Mountains, die sich vom Polarkreis bis hin zum Äquator erstreckt. Das Blau des Genfer Sees inmitten des weißen Glitzerns der Alpen. Ein Planeten-Achat, graugrün, braungrün, blaugrün, mit weißen Kappen an den Polen, eingehüllt in die milchigen Schleier von Wolken. Ich sitze am Krater des Vesuv, rutsche lachend an den Flanken des Shasta hinab, tanze unsichtbar durch die versunkenen Straßen von
Venedig und komme trief naß in Dar-es-Salaam wieder empor. Löse mich auf, setze mich wieder zusammen und blicke von Gibraltar hinab. Breite mich gleich einem Segel aus, um den Wind einzufangen, und gleite majestätisch durch das Meer von Panama und dann in die Weite des Pazifik. Tolle an der Küste herum und finde mein Haus aus Rotholz, das noch immer still und verriegelt auf der nach Osten gelegenen Klippe steht. Der Strandhafer dahinter erfüllt die Luft mit den herben und hellen Duftlichtern seiner Lebensauren, die Fettpflanzen singen vielstimmige Lieder, und Vögel fliegen, hüpfen, brüten, sterben. Ich bewundere auch dies, springe davon und tauche ins Meer hinab. Ich gleite in einen kleinen Raum in einer überfluteten Stadt, sehe meinen Körper, der friedlich auf einer schwarzen Liege ruht. Ich schalte die Geräte nach und nach ab. Dann hebe ich meinen Körper an, schwebe mit ihm durch den Korridor, die Treppe hinab, durch die anderen Zimmer und lasse ihn sanft von den zärtlichen Strömungen des Pazifik davontreiben.
Und schließlich ins schwimmende Spielzeugland der Ilium, die durch die Grenzenlosigkeit des Meeres gleitet.
Das Schiff schimmert matt im Schein des Mondes, und ich nehme seine Schönheit in mich auf, während ich hindurchschwebe, suche, finde. Harkness hat sich in den Schlaf geweint und geschrien. Jetzt liegt er schnarchend und erschöpft in den Armen seines Liebsten, und Hart starrt an die im Dunklen liegende Decke über ihm und versucht zu begreifen. Ganz ruhig, Hart. Frieden. Ich verstehe es auch nicht. Li hantiert in der Kombüse, umgeben von Käsebergen, und er verringert das Durcheinander, indem er Kuchentabletts aufeinandertürmt. Es ist ein einsames Universum, Li. Füll deinen Magen mit soviel Trost, wie du magst. Lonnie liegt in Pauls Armen und schläft, so sehr von Sedativen betäubt, daß sie nicht an der Qual von Alpträumen leidet. Ihr Geist ist ein weicher Schwamm, der durch Aufsaugen überlebt, indem er absorbiert, um sich wieder neu zu formen. Und Paul liegt verwirrt und benommen neben ihr, die Gedanken durchzogen mit vagen, lüsternen Bildern von Australien. Aber das Verlangen seines Unterbewußtseins ist ihm verschlossen, und er weiß nicht, wonach er sich sehnt. Schlaf, Paul.
Greville hockt regungslos neben der stummen und keinen Muskel rührenden Gestalt von Jenny. Er fühlt sich verantwortlich, ist besorgt, erschrocken. Leidet. Ich bin überrascht von Grevilles nächtlichen Gedanken, hier, wo er keine Rolle spielen muß, wo er kein Image zu wahren hat. Und Jenny? Ein Geist, der sich völlig eingekapselt hat, durch und durch apathisch, furchtbar wach. Ich taste mich in ihr Bewußtsein hinein, in die Welt ihrer sonderbaren Gedanken, die zudem so sehr
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