Versunkene Inseln
einer langen Relaiskette an den Empfänger in Johns-Rastegar weitergeleitet, und eine halbe Stunde später traf die Antwort von der Basis ein. Eine direkte akustische Übertragung, die Kommunikation von Stimme zu Stimme, war so nahe der Sonne völlig ausgeschlossen. Die Relaisstationen hatten ohnehin Mühe genug, die vielen Piepser meiner Signale zu empfangen und weiterzuleiten, ohne sie vom statischen Rauschen völlig übertönen zu lassen. Wollte ich mit irgend jemandem sprechen, so konnte ich meine Nachricht aufzeichnen und das Band zu der wenigen Fracht geben, die ich jeden Monat an Bord der Versorgungsfähre hinausschickte. Eine Wartezeit von noch einmal achtundzwanzig Tagen, dann kam das Shuttle mit der Antwort zurück. Aber es gab niemanden, mit dem ich sprechen wollte, und die einzige Stimme, die ich zu hören wünschte, näherte sich inzwischen der Umlaufbahn von Pluto.
Ich – besser gesagt, die Geräte der Station – hatte den Kurs des Schiffes verfolgt, jenes einen Ortes, nach dem ich solche Sehnsucht hatte. Ich hatte beobachtet, wie es die Sonne umkreiste, dann die Geschwindigkeit erhöhte und durch das Sonnensystem den Sternen entgegenjagte. Angetrieben von Neugier und vielleicht einer subtilen Abart von Masochismus, hatte ich es solange beobachtet, bis es außerhalb des Erfassungsbereichs meiner Instrumente geraten war. Dann versank ich in einer tiefen Depression, die meine Gedanken umwölkte und mich meine Pflichten mit nicht mehr rationaler oder emotionaler Beteiligung erledigen ließ, als das bei einem Roboter der Fall ist. Als ich mich acht Monate später schließlich aus meinem Miasma befreite, jährte sich zum drittenmal der Tag meiner Ankunft in der Station, und ich bekämpfte die verbleibende Schwermütigkeit damit, indem ich mein einsames Leben fest entschlossen in ganz bestimmte Bahnen lenkte. Ich stellte mir eine Aufgabe und konzentrierte mich nur noch darauf.
Ich beschäftigte mich intensiv mit der Immortalität. Schließlich verfügte ich über viel freie Zeit, in der ich nichts anderes anfangen konnte. Und die nötige Motivation für ein solches Studium brachte ich ganz bestimmt mit. Ich bat um eine Wechselband-Übertragung von der Luna-Bibliothek, füllte die zusätzlichen Informationsspeicher der Station mit allen Daten, die mir die Bibliothek über diese Thematik zur Verfügung stellen konnte, und machte mich an die Arbeit.
Durch die Behandlungen wird die Zelldegeneration des betreffenden Körpers zum Stillstand gebracht. Sie bewirken einen Zustand physischer Stasis. Sie funktionieren bei jedem Primaten oberhalb einer bestimmten evolutionären Schwelle. Bestimmte Chemikalien beeinflussen das hormonelle Gleichgewicht bestimmter Drüsen; bestimmte Injektionen verändern die Funktion bestimmter organischer Prozesse; bestimmte Strahlungsvarianten wirken auf bestimmte genetische Veranlagungsbefehle. Soweit jedenfalls die Theorie. Man bombardiere die Körperregion A mit einer Strahlung der Stärke B für die Zeitspanne C in den Abständen D – und irgend etwas in der genetischen Struktur verändert sich, und der Alterungsprozeß hört auf. Wie geschieht das? Warum? Niemand weiß es genau. In Lippencotts Papieren wimmelt es von Hypothesen und bereits widerlegten Theorien, und die Schriftstücke seiner Nachfolger dehnen die Bereiche der Unwissenheit nur noch weiter aus. Die Unsterblichen finden keinen Gefallen an schwierigen und ungelösten Problemen, und als das zweite Jahrhundert nach der Formung zu Ende ging, wurde die Forschung immer mehr
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