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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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großen Fra­ge­zei­chen ge­kenn­zeich­net. Die Un­s­terb­li­chen er­in­ner­te das Mu­se­um an die Hö­he des Pro­fits, den sie aus die­sem Un­ter­neh­men ge­zo­gen hat­ten. Mir brach­te es im­mer wie­der zu Be­wußt­sein, wie­viel ich noch ler­nen muß­te.
    Die Über­bleib­sel je­nes Ta­ges wa­ren dürf­tig. Die meis­ten der Ar­te­fak­te wa­ren be­reits im Mu­se­um ent­hal­ten, und ich eti­ket­tier­te sie fürs La­ger und einen mög­li­chen spä­te­ren Ver­kauf an an­de­re Samm­lun­gen. Ein paar Ge­gen­stän­de wa­ren ein­zig­ar­tig. Das bes­te Stück war ein Satz von Schreib­fe­dern, die in einen durch­sich­ti­gen Plas­tik­kas­ten ein­ge­las­sen wa­ren, der an der einen Sei­te ei­ne Pla­ket­te auf­wies. Die­se Pla­ket­te war bis zur völ­li­gen Un­le­ser­lich­keit kor­ro­diert, doch ich hielt es für wahr­schein­lich, daß mit den Schreib­fe­dern ir­gend­ein his­to­ri­sches Do­ku­ment un­ter­zeich­net wor­den war. Es war das bes­ter­hal­te­ne Ar­te­fakt, das wir bis­her ge­fun­den hat­ten. Ich wies ihm einen an­ge­mes­sen Platz in der Ga­le­rie zu und be­schrif­te­te es ent­spre­chend.
    Der Nach­mit­tag ver­ging in al­ler Ru­he, und ich ge­stal­te­te ihn ganz ab­sicht­lich so, ver­such­te, nicht an Paul und Be­ni­to zu den­ken und ver­dräng­te al­les, was nichts mit mei­nen Sor­tie­rungs- und Kenn­zeich­nungs­ar­bei­ten zu tun hat­te. Als ich da­mit fer­tig war, rief ich vom Com­pu­ter ei­ne Mu­sik­ein­spie­lung ab, schob einen der lee­ren Schwe­ber ans Fens­ter und hock­te mich dar­auf. Ich be­trach­te­te die Wel­len, die hin­ter und un­ter der ge­wölb­ten Au­ßen­re­ling an die Flan­ken des Schif­fes plät­scher­ten. Das Mu­se­um lag auf dem ers­ten Deck über der Was­ser­li­nie, und hier war das Meer sehr na­he.
    Ich schloß die Au­gen und tas­te­te zum ers­ten­mal seit der letz­ten Nacht in mich hin­ein. Ir­gend­wie be­fürch­te­te ich, mei­ne neu­ent­deck­ten Fä­hig­kei­ten könn­ten wie­der ver­lo­ren­ge­gan­gen sein. Doch mein Kör­per rea­gier­te so­fort auf mei­ne strei­cheln­den Ge­dan­ken. Ich ließ al­les weit hin­ter mir zu­rück, Paul, Be­ni­to, die an­de­ren Un­s­terb­li­chen, die Ili­um, ver­senk­te mich in mei­ne In­nen­welt und er­forsch­te und er­kun­de­te mein Selbst.
    Die Zeit tropf­te still und ru­hig da­hin wäh­rend mei­ner Ver­sun­ken­heit. Ich lern­te, be­stimm­te Se­kre­te aus dem Ma­gen in den Blut­kreis­lauf dif­fun­die­ren zu las­sen, die che­mi­schen Be­feh­le zu un­ter­schei­den, die zu die­ser oder je­ner or­ga­ni­schen Re­ak­ti­on führ­ten.
    Ich spür­te, wie mei­ne Un­si­cher­heit da­hin­schmolz, als mei­ne Kon­trol­le zu­nahm, und ich un­ter­brach mei­ne For­schungs­rei­se kurz, um in ei­ner La­che aus Zu­frie­den­heit zu ba­den. Ich, Tia Ham­ley, ich bin mein ei­ge­ner Herr.
    Ei­ne Dis­so­nanz misch­te sich in mei­ne fried­li­che Ab­ge­schie­den­heit, ein schril­ler, durch­drin­gen­der, ent­setz­ter Schrei, der sich durch das dich­te Ge­we­be mei­ner Kon­zen­tra­ti­on bohr­te. Er ka­ta­pul­tier­te mich in die Hö­he und warf mich von dem Schwe­ber her­un­ter, auf dem ich ge­le­gen hat­te. Das Heu­len dröhn­te aus den hoch in der De­cke ein­ge­las­se­nen Laut­spre­chern und er­klang er­neut, dann noch ein­mal.
    „Wer ist da?“ über­tön­te Har­kness’ Stim­me das Krei­schen. „Wo sind Sie?“
    Nur Schreie. Nicht ein­mal der Ver­such, ar­ti­ku­lier­te Wor­te her­vor­zu­brin­gen.
    „Was ist los?“ gell­te Gre­vil­les Stim­me. „Was ist los? Hö­ren Sie auf zu schrei­en! Hö­ren Sie auf!“
    „Ich be­feh­le Ih­nen …“
    „Seid still!“ Die Stim­me war fest und be­herrscht. Ich brauch­te einen Au­ge­blick, um sie als die von Jen­ny zu iden­ti­fi­zie­ren. „Still! Gre­ville, Har­kness, sei­en Sie end­lich still! Und jetzt … hö­ren Sie auf zu schrei­en. Be­ru­hi­gen Sie sich. Wir kom­men Ih­nen so­fort zu Hil­fe, wenn Sie uns sa­gen, wo Sie sind. Be­ru­hi­gen Sie sich. Hö­ren Sie auf zu schrei­en. Ganz ru­hig. Wo sind Sie? Es kommt al­les wie­der in Ord­nung, aber Sie müs­sen sich be­ru­hi­gen. Sa­gen Sie uns nur, wo Sie sind, dann kom­men

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