Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
ergab, nicht automatisch geplündert wurde.) Dass es im westlichen Europa so viele Belagerungen gab, beruht wie gesagt darauf, dass es dort so viel mehr Festungen gab, während sie nach Osten hin immer weniger wurden. Die guten Leistungen der schwedischen Armee im Feld müssen wohl teilweise vor dem Hintergrund dessen gesehen werden, dass diese durch ihre Erfahrungen im Osten geprägt war, was sie für den Manöverkrieg und offenen Kampf geeigneter machte als viele kontinentale Armeen, die erheblich mehr darauf eingestellt waren, geruhsame Positionskriege zu führen und befestigte Orte einzunehmen.
Die einfachste Methode, eine Festung einzunehmen, war das Zernieren, was ein feineres Wort dafür war, dass man alle Ausgänge der Festung verstopfte und dann einfach wartete, bis der Hunger die Menschen in ihrem Inneren zwang, zu kapitulieren. (Als die Spanier 1624 Breda belagerten, hatten sie die Stadt mit Hilfe von unter anderem 96 Redouten, 37 Forts und 45 Batterien eingeschlossen, und die Zernierung war so effektiv gewesen, dass die Stadt im folgenden Jahr gefallen war, ohne dass ein einziger Schuss gegen ihre großen Bastionen hatte abgefeuert werden müssen.) Es konnte sich jedoch sehr lange hinziehen, da eine der wichtigsten Funktionen der Festungen darin bestand, als Magazin für die Feldarmeen zu dienen, und sie folglich erhebliche Vorräte gehortet haben konnten. Eine Belagerung wurde dagegen auf aktivere Weise betrieben, war aber in der Regel ein unerhört aufwendiges Unternehmen. Abgesehen von Kanal-und Festungsbauten waren Belagerungen die größten baulichen Operationen, die in dieser Epoche vorkamen. Dies bedeutete, dass man mit langsamer und würdevoller Kunstfertigkeit gewaltige Systeme von Parallelen, Annäherungswegen, Minengängen, Wurf-und Breschbatterien, Cirkum-und Kontravallationslinien und so weiter baute; teils eine innere Linie, um die Eingeschlossenen am Platz zu binden, teils eine äußere, um jeden Entsetzungsversuch zu vereiteln; auch die Belagerung einer unbedeutenden Festung konnte eine so lange Cirkumvallationslinie erforderlich machen, dass man fünf bis sechs Stunden brauchte, um von ihrem einen Ende bis zum anderen zu gehen.
Eine Zernierung konnte hier bei Neunburg nicht in Frage kommen, auch eine regelrechte Belagerung nicht. Die Kaiserlichen hatten keine Zeit. Sie mussten Slang und seine Männer schnell aus dem Weg räumen, um weitermarschieren zu können und das schwedische Heer in Cham einzuschließen. Also blieb ihnen nur eine Erstürmung. Es waren stets blutige und gewagte Operationen, im Kreuzfeuer mit Hellebarden und Äxten und Handgranaten anzustürmen und sich auf unangenehm hohe Leitern zu schwingen oder auf blutig geschrammten Händen und Füßen durch eine mit Sprengsteinen gefüllte Bresche in einer Mauer zu kriechen.
Auch solche Festungskämpfe folgten einem bestimmten Ritual. Zunächst verlangte der Angreifer, dass der Verteidiger sich ergeben solle. Die Antwort war in neunundneunzig von hundert Fällen ein Nein, und zwar ungeachtet der Lage. Ohne Kampf aufzugeben, machte einen schlechten Eindruck und tat der Ehre Abbruch. Häufig folgte danach ein verbales Spiel von Drohung und Trotz, in dem die Angreifer schworen, zu stürmen und allen und allem den Garaus zu machen, während der Verteidiger stolz gelobte, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Dann begann der Kampf. Tatsächlich kam es äußerst selten dazu, dass Mann gegen Mann kämpfte. Sobald die Verteidiger keine Möglichkeit mehr sahen, die Angreifer zurückzuhalten, gaben sie auf, aller wackeren Rhetorik zum Trotz. Oft genügte es, dass der Angreifer eine Bresche in die Mauer schoss.
Diese ritualisierten Kämpfe waren immer üblicher geworden, ein weiteres Anzeichen dafür, dass der Konflikt einiges von seiner Hitze zu verlieren begonnen hatte. Viel von dem merkwürdigen, schönen und trügerischen Licht, das die innere Landschaft der Ideologen erhellt, hatte inzwischen angefangen zu verblassen. Der religiöse Bürgerkrieg war fast ganz vorbei, und an seine Stelle war ein Krieg zwischen verschiedenen europäischen Großmächten getreten. Die von brennendem Geist erfüllten Kreuzfahrer und Fanatiker waren einer nach dem anderen von der Bühne abgetreten, und ihr Platz war von den Condottieri, den Landsknechten und geworbenen Haudegen eingenommen worden. Die Leiden und das Elend der Zivilbevölkerung waren unverändert entsetzlich, aber in bestimmten Kriegssituationen war doch eine gewisse Zurückhaltung zu
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