Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
Statthalter Erik Oxe war nämlich nicht vorgewarnt, dass sie kommen würden. Als dann die Transportflotte am Horizont auftauchte, hatte dies in Kalmar große Nervosität ausgelöst. War es vielleicht der Däne, der einen Coup versuchte? Der fünfte Schuss kam nicht. Um seine friedlichen Absichten zu zeigen, strich Eriks Schiff sogleich die Segel und ließ mitten auf dem Sund den Anker fallen. Eine Schlup mit 20 Musketieren holte ihn und einige andere Verantwortliche und brachte sie an Land, wo der sicher sehr erleichterte Oxe ihnen entgegenging. Später am Tag gab er ein Abendessen, das Erik reichlich betrunken verließ. Am übernächsten Tag segelte die Flotte weiter, diesmal auf getrennten Wegen. Eine Gruppe segelte nach Västervik, um dort Kavallerie an Bord zu nehmen, eine andere ging nach Helsingfors (Helsinki), und eine dritte mit Eriks Schiff an der Spitze lief nach Nyköping.
Auf der Fahrt nach Norden schlief indessen der Wind ein, «so daß keine Feder sich auf dem Wasser bewegte». Das Schiff blieb unmittelbar neben der «Blauen Jungfrau», der kuppelförmigen Felseninsel im Kalmarsund, liegen. Manche meinten, dass dies der Blåkulla [Blocksberg] sei, der mythische Versammlungsplatz der Hexen. Eriks Entdeckerlust war wie immer groß, und er beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und die Felseninsel aus der Nähe anzusehen. Von einigen Passagieren und dem Schiffer des Bootes begleitet, ging er an Land. Eine knappe Stunde wanderten sie auf dem roten Granit der kilometerlangen Insel zwischen Klippen, Klüften und Grotten umher. Doch bevor sie auf ihr Schiff zurückkehren konnten, frischte der Wind auf und steigerte sich in kurzer Zeit zum Sturm. Wegen der hohen Dünung war es gefährlich, die Insel bei normalem Wetter anzulaufen, und jetzt wurde es noch schlimmer. Zwei Stunden lang kreuzte das Schiff um die kleine Felseninsel, bis die an Land Gesetzten – unter Lebensgefahr – in dem heulenden Sturm wieder an Bord genommen werden konnten. Es war nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass Eriks Neugier ihn beinahe das Leben kostete.
In Nyköping ging Erik von Bord und begab sich auf dem Landweg nach Stockholm, wo er nach einem nächtlichen Ritt am 11 . Juni eintraf. Er suchte sofort die Kanzlei auf, wo er einen Brief von Rehnskiöld an die Königin übergab. Nun wollte es der Zufall, dass der Rat sich gerade in einer Sitzung mit Christina befand. Erik wurde deshalb in den Saal geführt, in dem sie versammelt waren, und von den Anwesenden ausgefragt – es war seine erste Begegnung mit der Königin. Den Rest des Sommers und den Herbst 1646 verbrachte Erik in Stockholm. Unter anderem machte er Axel Oxenstierna mehrere Aufwartungen, um im Auftrag Rehnskiölds die Donation eines bestimmten pommerschen Gutes zu erwirken. Außerdem war Eriks Onkel Erik Svanfelt im Jahr zuvor gestorben, weshalb Erik die Gelegenheit nutzte, dessen Witwe aufzusuchen und sich zu erkundigen, was der Onkel ihm und seinen Geschwistern testamentarisch vermacht hatte. Der Onkel hatte ihnen nichts vermacht.
Im Dezember musste Erik zusammen mit Rehnskiöld – der sich seit dem Oktober in Schweden befand – nach Deutschland zurückkehren. Ursprünglich hatten sie vor, den Seeweg zu nehmen, doch hartnäckiger Gegenwind und zunehmende Kälte veranlassten sie, sich für den Landweg zu entscheiden. Reisepässe erhielten sie von Torstensson, der inzwischen, vom Rheumatismus geplagt, nach Stockholm zurückgekehrt war. Sie reisten über Östergötland, Småland und das kürzlich dem Reich eingegliederte Halland, dann südwärts durch Dänemark, was nun nach dem Friedensschluss wieder möglich war. In Fredriksborg sahen sie in einer Kirche den dänischen Monarchen Christian IV ., der sich mit einer grünen Klappe über dem rechten Auge zeigte, das er bei der Seeschlacht auf der Kolberger Heide vor gut zwei Jahren verloren hatte.
Anfang 1647 war Erik zurück in Deutschland. Die Ereignisse des Jahres 1645 hatten wie ein Scharnier gewirkt, um das sich der Krieg wie eine riesige Tür drehte. Im Jahr 1646 hatte die Tür sich weiter auf die Seite der Schweden und Franzosen gedreht. Es half nichts, dass die Kaiserlichen ihr Möglichstes taten, um sie in die andere Richtung schwingen zu lassen. Sie hatten es wahrlich versucht.
2 . Wir leben wie die Tiere, essen Rinde und Gras
Das Bild der Vergangenheit – Keine Eiszeit – ‹Alle Menschen in der Welt leben in Dunkel und Blindheit› – Der Götenmythos – Der Zustand der kaiserlichen Armee
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