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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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bohrten sich ins Herz der Wolke und verschwanden darin. Hayden war enttäuscht; wenn die Sonne jetzt anginge, würde er nichts davon mitbekommen.
    Dann musste er lachen. Oh doch. Vater hatte es ihm immer und immer wieder eingeschärft: Das Aufleuchten der Sonne sei nicht zu übersehen. »Die Wolken werden - puff! - im Umkreis von Kilometern verdunsten«, hatte er gesagt und mit den Fingern geschnippt.
»Die Temperatur wird schlagartig in die Höhe schießen, ja, alles, was weniger als tausend Meter entfernt ist, wird in Brand geraten. Deshalb befindet sich eine Sonne stets fernab von allen Habitaten. Natürlich auch aus Gründen der Geheimhaltung. Und das Licht … Hayden, du musst mir versprechen, nicht hineinzusehen. Du hast keine Vorstellung, wie hell sie sein wird. Wenn du zu nahe daran bist, kann sie dir die Haut verbrennen und dich blenden, auch wenn du die Lider geschlossen hast. Sieh niemals direkt hinein, bevor wir das Habitat nicht verschoben haben.«
    Die Wolke vor Hayden schien sich zu drehen; Gavin war schließlich wie alle Habitate ein Rad, das man in Rotation versetzt hatte, um die Einwohner mit zentrifugaler Schwerkraft zu versorgen. Es war die einzige Form von Schwerkraft, die sie jemals kennen würden, und sie war wertvoll, kostspielig und hoch besteuert. Grant’s Chance, das nächstgelegene Habitat, befand sich zwanzig Kilometer hinter dem Sonnenstandort und war momentan von Wolken verdeckt.
    Die Wolken waren der Grund, warum die Griffins hierhergezogen waren. An den Rändern der Zone, die von Slipstreams Sonne beschienen wurde, kühlte die Luft ab und die Kondensation setzte ein. Dadurch entstand weißer Nebel in verschiedensten Formen und bildete eine Mauer zwischen den besonnten Gefilden und der riesigen Leere des Winters. Hier war Grenzland. Hier konnte man alles Mögliche verstecken - zum Beispiel ein geheimes Projekt.
    Das Habitat drehte sich weiter, und jetzt öffnete sich hinter der Nebelbarriere der Himmel - ein Himmel ohne Grenzen nach oben, nach unten oder zu beiden
Seiten. Zwei ferne Sonnen schnitten eine hellere Sphäre aus diesem endlosen Firmament, einen Luftraum, umgrenzt von Tausenden und Abertausenden von Wolken in allen Größen und Formen, die vom Licht zumeist in gedämpftes Rosa und Bernsteingelb getaucht wurden. Fransige Bänder zeigten an, wo die Luft Ströme und Wirbel bildete; es gab Kugelformen und vielzackige Sterne; und viele Kilometer entfernt entstand, hinter Staub- und Nebelmassen verschwimmend, ein Rauchpilz, wo eine Kaltströmung auf eine feuchte Luftmasse traf. Ober- und unterhalb davon versperrten weiße Wände die Sicht, und alles, was jenseits der Sonnen lag, wurde von ihrem grellen Schein und ihren goldenen Strahlen überdeckt.
    Das Licht breitete sich nach allen Seiten durch den Luftraum aus und wurde nach etlichen Hundert Kilometern schwächer und röter, wo es nicht von den unzähligen Wolken und Objekten der Nation Aerie überschattet wurde. Reiste man nach innen oder nach oben in zivilisierte Räume, dann wurde der Schein anderer fernerer Sonnen allmählich stärker, bevor das Licht der eigenen Sonne erlosch; bewegte man sich aber nach unten oder nach außen, dann kam man irgendwann an einen Punkt, den auch deren Strahlen nicht mehr erreichten. Schleichend machte die Kälte sich breit, und wo es kalt und dunkel war, konnte nichts wachsen. Hier fing der Winter an, und er beherrschte in weiten Teilen das Innere des planetengroßen Luftballons namens Virga, in dem Hayden lebte.
     
    Das Habitat Gavin befand sich so dicht am Rand der Zivilisation, dass das Streulicht der fernen Feuer Mühe
hatte, irgendwelche Nutzpflanzen am Leben zu erhalten. Dennoch war es hier draußen nicht einsam; oben, unten und auf allen Seiten hingen die Wohnstätten der Menschen. Über Hayden, fünf Kilometer weiter links, fiel das Licht der Sonnen auf eine Farm: Der Farmer hatte in einem dreißig Meter großen Netz pulverisierte Felsen und Erdreich gesammelt und baute gelben Raps an. Jede Pflanze krallte ihre Wurzeln um eine eigene kleine Erdreichkugel, und alle schwebten langsam umher, tranken das Licht und verloren es wieder, wenn sie in den Schatten der anderen gerieten. Auf der Schnellstraße, die an der Farm vorbeiführte, herrschte reger Verkehr. Mehr als ein Dutzend Kleinwagen glitten über das Tau, das die Fahrbahn bildete und sich in Richtung Rush in der Ferne verlor. Rechts unten glänzte eine Wasserkugel so groß wie ein Haus. Ihre Oberfläche kräuselte sich unter einer

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