Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
Philip K. Dick
Die rebellischen Roboter
Amerikanischer Originaltitel: We Can Build You
© Copyright 1977 by Philip K. Dick
Ins Deutsche übertragen von Tony Westermayr
Veröffentlicht in „Die Welten des Philip K. Dick", Bastei-Lübbe 1985,
ISBN 3-404-24075-8
I
Unsere Verkaufstechnik wurde Anfang der siebziger Jahre vervollkommnet. Als erstes ließen wir unter »Verschiedenes« in den Lokalzeitungen eine Anzeige einrücken.
»Spinett, auch elektronische Orgel, aus zweiter Hand, Bestzustand, sehr günstig. Bar oder kreditwür dig, damit Ratenzahlungen übernommen werden kön nen, statt Instrument nach Oregon zurückzutranspor tieren. Angebote an Klavierfabrik Frauenzimmer, Kre ditabteilung Mr. Rock, Ontario, Oregon.« Seit Jahren brachten wir diese Anzeige in einer Stadt nach der anderen, die Weststaaten hinauf und hinunter und bis Colorado hinein. Das Ganze entwickelte sich auf wissenschaftlicher, systematischer Basis, wir verwenden Landkarten und lassen keine Stadt aus. Wir haben vier Lastautos mit Turboantrieb, die ständig unterwegs sind, ein Mann pro Fahrzeug.
Die Briefe landen in unserem Büro in Ontario, Oregon, wo mein Teilhaber Maury Rock sich um alles kümmert. Er sortiert die Briefe und stellt Listen zusammen, und wenn er in irgendeinem Gebiet genug Interessenten hat, etwa in San Rafael und Umgebung, schickt er ein Nachttelegramm für den Laster. Angenommen, das ist Fred im Bezirk Marin. Wenn Fred das Telegramm erhält, zieht er seine Landkarte heraus und schreibt eine Liste der Kunden. Dann sucht er sich eine Telefonzelle und ruft den ersten an.
Inzwischen hat Maury an jeden Interessenten per Luftpost geschrieben:
»Sehr geehrter Herr, vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Anzeige im ›San Rafael Journal‹. Der zuständige Sachbearbeiter ist zur Zeit auf Reisen, so daß wir es für günstiger gehalten haben, ihn mit Ihrem Namen und Ihrer Ad resse weiterzugeben und ihn zu bitten, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen und Ihnen die Einzelheiten zu erläutern.« Der Brief geht in dieser Eintönigkeit noch weiter, leistet der Firma seit Jahren aber gute Dienste. In letzter Zeit ist der Umsatz mit den elektronischen Orgeln jedoch zurückgegangen. In der Umgebung von Vallejo, zum Beispiel, haben wir vor nicht langer Zeit vierzig Spinette verkauft und keine einzige Orgel. Diese Einseitigkeit zugunsten des Spinetts gegenüber der elektronischen Orgel führte zu einer hitzigen Auseinandersetzung zwischen mir und Maury Rock.
Unser Büro befindet sich in einem Backsteingebäude in der Innenstadt von Ontario gegenüber von einem Werkzeugladen und ist von Efeu umrankt.
Ich stellte meinen staubigen Chevrolet Magic Fire, ein TurboKabriolett, ab und ging über den Gehsteig zu dem Haus mit unserem Schild: »MASA – KG«. MASA steht für »Multiplex Akustische Systeme Amerika«, ein Phantasiename, den wir auf unsere Fabrik elektronischer Orgeln beziehen. Die »Klavierfabrik Frauenzimmer« hat Maury erfunden, weil das besser zu unserem Transportunternehmen paßt. Außerdem hieß Maury früher so; »Rock« ist übrigens auch eine Erfindung. Ich heiße in Wirklichkeit Louis Rosen. Ich habe Maury einmal gefragt, wo er den Namen »Rock« herhätte.
»Ich habe die Augen zugemacht und nach einem Lexikonband gegriffen. Da stand ›Rock bis Subud‹.«
»Das war falsch«, sagte ich. »Du hättest dich ›Maury Subud‹ nennen sollen.«
»Die Zeit ist an uns vorbeigegangen«, sagte Maury, als ich hereinkam. »Unsere elektronische Orgel ist veraltet.«
»Falsch«, sagte ich, »der Trend geht vielmehr zur elektronischen Orgel, weil Amerika in der Weltraumforschung diesen Weg beschreitet, den elektronischen. In zehn Jahren verkaufen wir kein Spinett pro Tag mehr; das Spinett wird ein Relikt der Vergangenheit sein.«
»Louis«, sagte Maury, »sieh dir bitte an, was unsere Konkurrenten gemacht haben. Die Elektronik mag auf dem Vormarsch sein, aber ohne uns. Schau dir die ›Hammerstein Stimmungsorgel‹ an. Schau dir die ›Waldteufel Euphoria‹ an. Und dann sag mir, warum jemand wie du damit zufrieden sein sollte, Musik herunterzuklimpern.«
Maury ist ein großer Kerl mit der emotionellen Erregbarkeit der Schilddrüsenkranken. Seine Hände zittern gern, und er ißt viel zu schnell; er bekommt Pillen, und wenn sie nicht wirken, muß er eines Tages radioaktive Jodtinktur nehmen. Wenn er sich aufrichten würde, wäre er eins neunzig. Er hat, oder hatte einmal, schwarze Haare, sehr lang, aber schütter, und große Augen,
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