Vision - das Zeichen der Liebenden
nicht an ihr interessiert war, verabredete er sich immer wieder mit ihr.
Mit einer heftigen Bewegung schüttelte Marta ihre halblangen Haare, als wollte sie einen lästigen Gedanken loswerden.
»Wisst ihr, wer auch kommt?« Sie klang immer wie ein kleines, verzogenes Mädchen. »Das erratet ihr sowieso nie: Jana.«
Für einen Moment bliebt Alex das Herz stehen. Jana. Jana würde ins Molino Negro kommen. Und er saß hier seelenruhig in diesem Wagen, angemalt wie ein Clown, mit einem Mädchen, das er gerade erst kennengelernt hatte und das ihm bis eben sogar noch ziemlich attraktiv vorgekommen war.
Plötzlich schoss das Auto nach vorn. Alex wurde tief in den Sitz gedrückt, der Lippenstift rutschte vom Mund über seine Wange.
»Was machst du denn, Erik?«, fragte Irene empört. »Ich hätte dem armen Alex gerade fast ein Auge ausgestochen.«
»Wir sind spät dran«, erwiderte Erik vollkommen unbeeindruckt.
Erst als sie das Gewerbegebiet verlassen hatten und die ersten Blocks mit Strandappartements erreichten, nahm Erik den Fuß wieder vom Gaspedal. Im Wagen hatte sich in der Zwischenzeit ein angespanntes Schweigen ausgebreitet. Irene überlegte, den Lippenstift einfach auf Alex’ Wange zu lassen, um ihrem Werk einen originelleren Touch zu geben. Aber nachdem sie sein Gesicht eine Weile nachdenklich betrachtet hatte, wischte sie den Strich doch wieder ab.
»So und jetzt sieh dich mal an«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Du bist ein anderer Mensch geworden…«
Alex blickte in den staubigen kleinen Spiegel, den Irene ihm hinhielt. Das bleiche, eingefallene Gesicht mit den schwarz umrandeten Augen und dem blutroten Mund, das ihm entgegensah, hätte aus einem Achtzigerjahre-Videoclip stammen können. Eigentlich gar nicht so schlecht. Ganz im Gegenteil… Er fragte sich, was Jana von seiner Verwandlung halten würde.
»Mit wem kommt sie?«, fragte Erik unvermittelt.
Alex wusste sofort, auf wen sich seine Frage bezog. Und aus Martas Schweigen schloss er, dass es auch ihr klar war.
»Sie geht nie auf Partys«, fuhr Erik fort. »Zumindest so gut wie nie… Jemand muss sie eingeladen haben.«
»Keine Ahnung, wer sie eingeladen hat.« Martas Stimme klang gleichgültig. »Ich weiß nur, dass sie kommen will… Sie hat mich angerufen und gefragt, ob ich eine Einladung brauche und ob sie mich mitnehmen soll.«
Sie hatten die alte Strandpromenade erreicht. An ihrem Ende zweigte die Schotterstraße ab, die zur Mühle führte. Zwei Motorräder fuhren an ihnen vorbei und jetzt waren auch andere Autos zu hören, die sich aus verschiedenen Richtungen näherten. Als sie in den Schotterweg einbogen, überholten sie mehrere Gruppen von jungen Leuten, die sich zu Fuß auf den Weg zur Party gemacht hatten.
Erik fand problemlos einen Parkplatz in der Nähe der Gartenmauer.
Sobald sie die Türen öffneten, schlugen ihnen Stimmengewirr und Gelächter entgegen, unterlegt vom rhythmischen Dröhnen der Bässe. Feuchtkalter Seewind fuhr ihnen durch die Haare. Alle vier hielten einen Moment inne, um die tanzenden Lichter in den Wipfeln der Obstbäume zu betrachten. Links von ihnen, im Hauptgebäude der Mühle, schimmerte es rot hinter den Fensterscheiben.
»Wo gehen wir rein?« Marta zupfte an ihrem grauen Pailletten-Top, damit der Ausschnitt richtig saß. »Angeblich spielt Betadine in der ehemaligen Schmiede, ganz hinten. Mögt ihr Betadine?«
»Wir können durch den Garten gehen und uns erst mal alles ansehen«, schlug Erik vor.
Marta und Irene nickten und setzten sich sofort in Richtung Gartenmauer in Bewegung, wo ein Durchlass zu sehen war. Alex wollte ihnen folgen, doch Erik hielt ihn zurück.
»Wenn ich gewusst hätte, dass Jana auch kommt, hätte ich dich nicht mitgenommen«, sagte er ernst.
Alex grinste schief. »Warum das denn? Denkst du, dass du mich vor ihr beschützen musst?«, fragte er spöttisch.
Er wollte weitergehen, aber Erik ließ ihn nicht los. »Komm schon, Alex. Sie würde dir bloß das Leben schwer machen. Sie ist genau der Typ Mädchen, merkst du das nicht?«
Alex’ Lächeln erlosch langsam. »Ich sehe Jana jeden Tag in der Schule«, erwiderte er bestimmt. »Wir gehen seit Jahren in dieselbe Klasse und ich hab’s bisher ganz gut überlebt, wie du siehst.«
»Alex, ich meine es ernst. Ich weiß, was Jana dir bedeutet. Ich sehe doch, wie du sie im Unterricht ständig anstarrst, und das gefällt mir gar nicht. Du weißt doch sonst immer ganz genau, was gut für dich ist. Was du willst und was
Weitere Kostenlose Bücher