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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Reifenspur.
    Â»Herr im Himmel«, fluchte
Charles und rannte los, um sich den Verletzten anzusehen. Hastig lief ich
hinterher.

Kapitel 2
    Â 
    Â»Ich
habe schon den Notruf gewählt!«, schrie einer der Schaulustigen. Als wir den
reglosen Mann erreichten, hörte ich, wie sich hinter mir jemand übergab.
    Â»Treten Sie zurück, wir
sind vom Fach!«, brüllte Charles.
    Scheiße, scheiße, scheiße! Ich war kein Sanitäter. Normalerweise hatte ich
es mit Leuten zu tun, die in der Notaufnahme bereits ansehnlich gemacht und mit
diversen Schläuchen und Zugängen ausgestattet worden waren. Er hatte so viele
Verletzungen – wo sollten wir nur anfangen? Charles kniete sich hin und drückte
die Finger an den Hals des Mannes. »Er hat einen Puls, er atmet.« Ich kniete
neben ihm nieder. Rund um die Augen des Mannes bildeten sich dunkle
Blutergüsse.
    Â»Brillenhämatom«, flüsterte
ich, obwohl ich so etwas erst einmal gesehen hatte, bei einem Traumatologiekurs
in der Schwesternschule.
    Â»Schädelbasisfraktur, schätze
ich.« Charles warf mir einen besorgten Blick zu.
    Wir hatten keinerlei
Ausrüstung, und wir durften den Mann nicht bewegen, da vielleicht seine
Wirbelsäule verletzt war. Eines seiner Beine schien stark verdreht, seine Jeans
war aufgerissen, und darunter konnte ich offenes Fleisch und Knochen erkennen.
Wären wir noch früher gekommen, hätten wir sein Innenleben ganz genau sehen
können: zerfetzte Hautränder, gelbliches Unterhautfett, rote Muskelstränge. Doch
dieser kurze Moment hatte ausgereicht, damit das Blut aus den Arterien und
Venen hervorquoll. Es füllte seine Wunden, lief über und ergoss sich wie ein
Ölfilm auf den Boden. Ich biss die Zähne zusammen und drückte fest auf die Oberschenkelarterie.
Das Blut drang durch den Stoff meiner Handschuhe und klebte heiß an meiner
Hand.
    Â»Kleiner Trick.« Charles
drückte sein Knie knapp unterhalb der Leistengegend auf den Oberschenkel des
Fremden und stützte sich mit vollem Gewicht darauf, wobei er mir gerade genug Zeit
ließ, um meine Hand zurückzuziehen. Nun floss kaum noch Blut aus dem Bein –
obwohl das auch daran liegen konnte, dass nicht mehr viel übrig war. »Dadurch
wird die Arterie komplett abgeklemmt.«
    Ich wollte mich schon
beschweren, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für eine Unterrichtsstunde
war. Doch dann erkannte ich, dass Charles nur den Lehrer spielte, um mit der
Situation besser klarzukommen. Unser Patient stöhnte und versuchte, den Kopf zu
bewegen. Schnell kroch ich über die Glassplitter, bis ich neben seinem Kopf
hockte. »Sie dürfen sich nicht bewegen, Sir. Sie hatten einen schweren Unfall.«
Ich umfasste mit beiden Händen sein Gesicht. Seine Mütze war ihm zusammen mit
einem großen Teil der Kopfhaut abgerissen worden, und das feine weiße Haar war
mit Blut verklebt. »Es tut mir leid, aber sie müssen stillhalten.«
    Â»Wollen Sie ihn denn nicht
beatmen?«, fragte jemand hinter mir. Ich warf einen Blick über die Schulter und
entdeckte einen Mann, der seine Handykamera auf uns gerichtet hielt.
    Â»Wie sind Sie denn drauf?« Ich
schlug ihm das Telefon aus der Hand, das in hohem Bogen im blutigen Schnee am
Straßenrand landete. »Das ist eine ernste Situation!«
    Â»Hey, das war ganz neu!« Der
Schaulustige wühlte mit seinen Handschuhen in dem verdreckten Schnee, um sein
Eigentum zu bergen. Dabei warf er einen so dunklen Schatten, der das Telefon
förmlich zu verschlucken schien. Kurz überlegte ich, ob das vielleicht eine
Sinnestäuschung gewesen war.
    Der Verletzte rührte sich
wieder, diesmal streckte er eine Hand aus, um mich wegzuschieben. »Nein, nein,
nein, nein, nein«, ermahnte ich ihn, aber er umklammerte weiter meine
Handgelenke wie jemand, der nichts mehr zu verlieren hat. »Bleiben Sie still
liegen, okay? Alles wird gut«, sagte ich, doch ich wusste, dass es eine Lüge
war. »Bleiben Sie einfach liegen.«
    Er stöhnte auf – und plötzlich
veränderte sich die Form seines Kiefers, er wurde schmaler und kantiger. Die
Zähne schoben sich nach vorne, pressten sich gegen die Lippen und wurden
länger. Der Zahnschmelz verfärbte sich gelb. Auch sein Bart wuchs rasant – wie
Fell.
    Â»Charles?« Meine Stimme wurde
schrill. Es war mitten am Tag, bewölkter Dezemberhimmel – doch Charles’ Gesicht
war

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