Anders. Und schwul. (German Edition)
1.
„Die Niete!“
„Schade, na dann schönen Abend noch“.
Wirklich schade: Olaf aus Ismaning war gerade nach vier richtig beantworteten Fragen rausgeflogen. So ist das Spiel. Er war Metzger. Und das passte zu ihm. Er sprach tiefstes münchnerisch und bemühte sich nicht einmal, ein bisschen deutlicher zu sprechen. Wenn man schon mal bei einem TV-Quiz durch kommt, dann hätte man das doch wohl erwarten können. Außer „Links“, „Rechts“ und „ich nehme die drei“ hatte er nicht viel gesagt. Ein langweiliger Telefonkandidat. Der Moderator hatte sichtlich Schwierigkeiten ein Gespräch mit dem Metzger zu führen. Da war es Zeit, Schicksal zu spielen und ihm die Niete zuzuschieben.
Ich liebte dieses Spiel. Ich saß im Großraumbüro des Senders und bediente all abendlich am PC die Spielwand des „Telequiz“. Bei größeren TV-Senders gibt es vielleicht tatsächlich Zufallsgeneratoren, bei uns aber nicht. Denn es gab mich. Nach Olaf war Biggi dran. Hausfrau und Mutt er zweier Kinder, mit 23 Jahren. Sie tat mir wegen ihres jugendlichen Leichtsinns ein wenig leid, daher schenkte ich ihr den reibungslosen Durchlauf von acht Runden. Sie war eine wahre Plaudertasche und erzählte aus ihrem leider mehr oder weniger langweiligen Leben. Das passte mir ganz gut, denn während sie redete, musste ich die Ratewand nicht bedienen und konnte mich meiner Nebentätigkeit widmen: das Wochenende stand an und das Horoskop für die kommenden Tage war noch nicht fertig.
Den ganzen Tag hatte ich schon nebenher das Schicksal der Videotext-Leser bestimmt. Ich musste nur noch den Widder und Wassermännern die kommende Woche prophezeien. In letzter Zeit war ich etwas vorsichtiger geworden, nachdem 30 Leserbriefe bei uns eintrafen. Ich hatte den Skorpionen geraten, zwischen Dienstag und Donnerstag nicht Auto zu fahren. Das ging den Lesern wohl zu weil, daher wurde ich nachsichtiger: Kommende Woche, entschied ich, sollten Widder ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten suchen. Wegen Gehaltserhöhung, Arbeitsklima oder andere wichtige Themen die mal angesprochen werden sollten. Das kann schließlich nie schaden.
Wassermännern ging es immer gut, schließlich war ich einer und ich wäre schön blöd gewesen, wenn ich mir selbst ein schlechtes Horoskop geschrieben hätte. Vergangene Woche sollten sie sich vor der Farbe grün hüten. Mir stand nämlich ein Besuch bei meinen Großeltern auf dem platten Land bevor und da kam man selten um eine Wanderung durch den schönen grünen Wald herum. Die erste Oktober-Woche sollte für Wassermänner ein Genuss werden: Glückszahlen waren 12 und 43. Wem der in Aussicht gestellte Lottogewinn nicht reichte, sollte sich am Wochenende unters Volk mischen – der Traumpartner sei in greifbarer Nähe.
2.
Der Morgen war schrecklich. Am Vorabend hatte ich vergessen, in meinem Schlafzimmer die Heizung abzuschalten und fühlte mich daher am nächsten Morgen wie ein gebratenes Hühnchen. Ich brachte die Augen kaum auf und war Hundemüde. Das konnte kein schöner Tag werden – das sagte mir auch der erste Blick aus dem Fenster: Der Himmel war dunkelgrau und ließ außer ein paar Lichtstrahlen nur riesige Regentropfen durch. Im Sender angekommen blühte ich ein wenig auf: es war Samstag und kaum Leute da. Da ließ es sich in Ruhe arbeiten und man konnte ungesehen so früh wie möglich das Haus wieder verlassen nachdem das Telequiz über die Bühne war.
Punkt 16:0 0h hatte ich meine Pizza Hawaii vom Lieferservice „Zum Goldenen Hasen“ verspeist. Sie war wie immer ein klumpen Teig mit Tomatenmark, Käse, Schinken und an einer Hand abzählbaren Ananasstücken. Alternativ-Lieferanten gab es leider nicht, aber der Hunger trieb’s rein. 16:02 Uhr, ich hatte bereits den ersten Kandidaten wieder rausgeschossen, füllte sich das Büro wie üblich. Der Chef vom Dienst, Ablaufredakteur und ein paar Reporter starteten den Endspurt für die erste Ausgabe der Nachrichtensendung. Am Konferenztisch machte ich einen neuen Mitarbeiter aus. Er saß unbeteiligt da und rauchte. Wahrscheinlich ein Kamera-Assistent oder Praktikant. Egal, das könnte ich die nächsten Tage noch herausfinden.
Ich konnte die Augen und Gedanken aber nicht ganz von ihm lassen. Er sah hübsch aus, wirkte aber arrogant. Mag an der Haltung gelegen haben, wie er seine Zigarette hielt. „Glückwunsch, Sie haben einen Einkaufsgutschein über DM 100 für Möbel Huber gewonnen“, gratulierte der Moderator Herrn Obergraf. Sag lieber, dass du
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