Traummann mit Vergangenheit
1. KAPITEL
„Denken Sie nicht mal dran, Dr. Remington“, warnte Rosie. „Mutigere Männer als Sie haben schon versucht, diese Herausforderung zu bewältigen, aber nur wenige haben es überlebt.“
Stephen Remington blickte zu seiner Arzthelferin hinüber und runzelte die Stirn. Rosie warf ihm einen wissenden Blick zu. „Das habe ich im übertragenen Sinne gemeint“, sagte sie mit der Geduld einer Frau, die seit Langem mit den Unzulänglichkeiten des männlichen Verstandes vertraut ist. „Ich habe gesehen, wie Sie aus dem Fenster geschaut haben. Es war kein Kunststück, herauszubekommen, was … oder wer … Ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.“
Stephen schaute in die Richtung, in die sie deutete. Rosie nahm offenbar an, er beobachtete die Nachbarn von gegenüber.
Die Arztpraxis von Lone Star Canyon teilte sich das Stadtzentrum mit ein paar Banken, drei Restaurants, einem Sportwarenladen, einigen Modegeschäften und dem Friseursalon Snip ’n Clip. Diese Einrichtung befand sich genau gegenüber von seiner Praxis. Normalerweise verhinderten die getönten Fensterscheiben neugierige Blicke ins Innere. Aber an diesem Nachmittag war es so dunkel und der Laden war so hell erleuchtet, dass man leicht hineinschauen konnte.
Er konnte zwei Personen ausmachen. Bei der einen handelte es sich um eine ältere Dame mit weißem Haar. Die andere Frau schwenkte formvollendet und großzügig die Sprühdose. Rosie dachte wohl, dass er gerade diese Frau bewundert hatte.
Stephen betrachtete die hochgewachsene Brünette. Sie trug enge Jeans, Stiefel und ein kurzes T-Shirt, das etwas Haut und einen schönen Bauchnabel enthüllte. Die sinnlichen Locken ihres dunklen Haares reichten ihr bis zur Taille. Sie bewegte sich mit der Anmut einer Frau, die jeden Mann haben konnte und keinen einzigen wollte.
„Die da?“, fragte er.
„Genau“, sagte Rose. „Nora Darby. Sie sieht vielleicht sanft und süß aus, aber in Wirklichkeit ist sie ungefähr so zugänglich wie ein angeschossener Grizzlybär. Nora kann Männer nicht leiden.“
„Verstehe.“
Wenn er Nora ansah, verstand er zumindest, warum es schon viele Männer bei ihr versucht hatten. Nora hatte das gewisse Etwas: einen großartigen Körper und ein schönes Gesicht. Falls sie sich auch noch intelligent unterhalten konnte, war sie perfekt. Natürlich nicht für ihn, aber vielleicht für andere.
„Ich gebe zu, dass sie sehr attraktiv ist“, meinte er, „aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin nicht zu haben – weder für angeschossene Grizzlybären noch für andere Damen. Außerdem habe ich eben gar nicht sie angesehen.“
Er deutete auf eine dunkle, graugrüne Wolke am Rande des Horizonts, die während des Gesprächs immer näher heranwirbelte. Es sah so aus, als würde ein Teil des Himmels herunter zur Erde gezogen …
Rosie stieß einen Schrei aus und griff nach seinem Arm. „Ein Tornado!“, rief sie und rannte zur Tür.
Stephen runzelte die Stirn. „Wovon reden Sie?“
„Wir müssen in den Schutzraum!“, schrie sie panisch.
Seine Arzthelferin, sonst durch nichts aus der Ruhe zu bringen, riss den Verbandskasten aus seiner Halterung an der Wand. Stephen nahm ihn ihr ab, dann packte sie seinen Arm und drängte ihn zur Tür.
Sein Blick glitt zur anderen Straßenseite. Nicht zu der überaus reizenden Ms. Nora Darby, sondern zu ihren betagten Kundinnen. Sie alle würden Schwierigkeiten haben, den Schutzraum rechtzeitig zu erreichen. Er wandte sich um und eilte zu Snip ’n Clip hinüber.
„Ich liebe diesen Song“, meinte Mrs. Gelson, während sie ihr Spiegelbild bewunderte. „Wenn ich den höre, vermisse ich meinen Bill. Er hat ihn mir damals immer vorgesungen.“
Aber klar, dachte Nora und rang sich ein Lächeln ab. Das wäre dann derselbe Bill, der seine Frau und drei Kinder zwei Nächte in der Woche zu Hause hatte sitzen lassen, um zum Pokern zu gehen. Die Frage, ob sie das Geld brauchten, das er verspielte, hatte er sich nie gestellt. Und Mrs. Gelson hatte nie mit einem einzigen Wort protestiert. Wenigstens hat der Blödmann seine Lebensversicherung nicht belastet, überlegte Nora. Auch wenn seine Witwe jetzt nicht wohlhabend war, ging es ihr an ihrem Lebensabend weit besser als in all den Jahren mit ihm.
Aber Mrs. Gelson sah das anders. Jetzt, wo Bill nicht mehr lebte, war er ein Heiliger.
„Ja, Sie haben mir schon oft erzählt, wie romantisch Ihr Ehemann war“, sagte Nora warmherzig, denn ihre Kundin wollte diese Lüge hören. Außerdem
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