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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Familie.
    Mama drückt mich, als wolle sie mich zu Teig verkneten, und auch mein Papa kommt, obwohl wir uns vorher schon verabschiedet haben, noch einmal aus den Umkleidekabinen, die er mittags sauber macht: »Tschüss, Nele, schönen Urlaub! Und keine Dummheiten, ja? Ich will keine Klagen hören!«
    »Pfft«, mache ich nur und steige hinter Rocky ins Auto. Als mein kleiner Jack-Russell-Terrier merkt, dass der Hauptteil seiner Familie nicht mitverreisen wird, legt er sofort die Vorderpfoten auf den Rücksitz und bricht in aufgeregtes Gekläff aus.
    »So bekomme ich den Verkehrshinweis nicht mit«, sagt Idas Vater. Er ist schon ein wenig gereizt, daher lege ich Rocky rasch einen Finger auf das Schnäuzchen.
    »Scht, Rocky«, macht auch Ida und dreht sich vom Vordersitz zu mir nach hinten. »Ich wollte eigentlich mit dir auf der Rückbank sitzen, aber Papa kommt sich dann vor wie ein Chauffeur und das passt ihm nicht.«
    Ich grinse und flüstere: »Hast du ihm schon gebeichtet, dass du Malte heiraten und dich Bärlauch-Pestowski nennen willst, also kurz gesagt Bärlauchpesto?«
    Ida hält sich die Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten, gickstert und bekommt ein knallrotes Gesicht. Ihr Vater scheint alles geflissentlich zu überhören, verzieht keine Miene, dreht nur das Radiolauter, schiebt sich ein Hustenbonbon in den Mund und sagt, als der Sportplatz nicht mehr zu sehen ist, sichtlich entspannter: »So, nun los. Wenn wir Glück haben, kommen wir gut durch, ohne Stress und Ärger.«

4
    Idas Vater ist ein wichtiger Mensch, sozusagen ein VIP. Da er immer wieder geschäftlich telefoniert, müssen wir uns leise unterhalten, was mir fast unmöglich ist. Aufgekratzt, wie ich bin, zähle ich Ida nämlich zuerst den gesamten Inhalt meiner Reisetasche auf, was er schon mit einem mürrischen »Nele, du redest wie ein Wasserfall!« kommentiert. Als ich ihr dann ausführlich und lautstark berichte, wie ich mich heute Vormittag mit Kittelchen und Konsorten rumgeschlagen habe, motzt er: »Ich krieg Ohrenschmerzen!«
    Doch der Geduldsfaden reißt ihm vollends, nachdem ich Ida erzählt habe, dass ich gestern bei meinem Exfreund war, und sie daraufhin loskreischt und so tut, als wolle sie meinen Ex mit einem gezielten Boxhieb ausknocken. Rocky springt bellend auf, Herr Bärlauch brüllt:
    »Schluss mit dem Theater! Ida, wie alt bist du denn eigentlich?! Benimm dich mal, wir sind auf der Autobahn!«
    Ida zuckt zusammen und sogar Rocky ist sofort ruhig. Scharfe Worte ist er nicht gewohnt. Ich weiß,dass Markus Bärlauch als aufbrausend gilt, aber solch einen Ausbruch wegen einer Lappalie hätte ich ihm nicht zugetraut. Er tut doch immer so, als sei er ständig gut drauf: tolerant, sportlich, jugendlich. Aber wahrscheinlich stellt er sich nur nach außen so dar, weil’s gut ist fürs Geschäft. Dafür lebt er, für seine Kochmützen und seine Karriere. Wenn ich gehässig wäre – was ich natürlich nicht bin –, würde ich sagen: Die Bärlauchs haben sich Kinder nur angeschafft, weil’s schick ist, welche zu haben, so wie man sich einen neuen Rührlöffel oder eine neue Handtasche zulegt und sie überall rumzeigt. Ich erwarte, dass Ida kontert oder ihrem Vater sagt, er soll sich nicht so anstellen. Schließlich hat sie ihm nicht ins Lenkrad gegriffen. Aber meine Freundin tut nichts, dreht sich nur mit eisiger Miene nach vorne um.
    Ich hätte Lust, die angeschmolzene Schokolade aus meinem Rucksack zu holen und ordentlich auf den Sitzen zu verschmieren, halte mich aber zurück. Eltern sind nun mal so, meine sind ganz anders, aber letztendlich auch nicht besser. Und Idas Vater ist immerhin so freundlich, uns die zweihundert Kilometer zum Campingplatz zu fahren. Er wird uns auch in zwei Wochen wieder abholen und hat für uns die Reservierung übernommen, weil wir ja erst sechzehn und siebzehn sind.
    Mit der linken Hand streichele ich Rocky, die rechte lege ich meiner Freundin auf die Schulter. Rocky beruhigt sich, brummt ein bisschen vor sich hin und bettet den Kopf auf die Vorderpfoten. Idalegt ihre schmale, kühle Hand auf meine und beruhigt sich hoffentlich auch ein bisschen. Zwei Stunden noch, dann sind wir endlich unter uns. Keine Erwachsenen mehr, die an uns rumkritteln, uns kontrollieren oder uns Vorwürfe machen.
    Prompt muss ich an meinen letzten Besuch bei Tobias denken. Seine Mutter, eine üble Mischung aus Kontrollwut und Dauerwelle, öffnete schon die Tür, bevor ich mein Fahrrad überhaupt abgestellt hatte. Als Tobias

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