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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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folgenden Mährchen, gemeint ist. So werden wir eine lustige Gesellschaft bilden, wie sie einst die alte Zeit, zur Erzählung der Mährchen, sah, und der, der eine Sage in der wahrhaft richtigen Bearbeitungsart dem Erzähler einst einmal wieder giebt, wird ihm eben so lieb sein, als der Freund, der ihm eine neue bringt, und dieser Freunde wünscht er sich recht viele.
     
    Breslau, den 23. Novbr. 1811.
     
    Büsching.
     

 
I. Schlesische Sagen und Mährchen.
     
1. Geschichte des Grafen Walther und der Helgunda.
    Es war in alten Zeiten eine sehr berühmte Stadt in Pohlen, von hohen Mauern eingeschlossen, Wislicz genannt, deren Herrscher einst, zur Zeit des Heidenthums, Wislaw der Schöne gewesen war, abstammend von der Familie des Königs Pepol. Diesen nun soll ein Graf, auch desselben Stammes, mächtig an Kräften, daher Walther der Starke genannt (welches auf Pohlnisch heißt:
Wdaly Walgerzs
), dessen Schloß Tyniez Krakau benachbart lag, wo jetzt die Abtei St. Benedikti, durch Kasimir den Mönch, König der Pohlen, gegründet, steht, in einer Fehde gefangen, den Gefangenen in Fesseln gelegt und in einen Thurm in feste Wacht gelegt haben. Dieser hatte eine Edle, Helgunda genannt, die Tochter eines Königs der Franken, zur Gemahlin, die Walther, wie man sagt, heimlich, nicht ohne große Gefahr seines Leibes, gen Pohlen führte.
    Eines Alemannischen Königes Sohn ward, an dem Hofe des Königs der Franken, dem Vater der Helgunda, mit großer Gunst gehalten, auf daß er ritterliche Sitten erlerne. Und Waltherus, der im Geiste durchschauend und listig war, da er bemerkte, daß Helgunda, die Tochter des Königs, sich in Liebe zu dem Sohne des Königs von Alemannien gewendet habe, bestieg in einer Nacht die Zinnen des Schlosses, bestach den Wächter, damit er ihn nicht auf irgend eine Weise hindern möchte und fing an, so süße Gesänge zu singen, daß die Tochter des Königs, aus dem Schlafe geweckt von den angenehmen Tönen, vom Lager aufsprang und mit ihren übrigen Gespielinnen, die Ruhe des Schlafs verscheuchend, auf den bezaubernden Gesang aufmerksam blieben, so lange der Sänger seine wohltönende Stimme erschallen ließ.
    Früh aber befahl Helgunda dem Wächter, vor ihr zu kommen, sorgsam forschend, wer jener gewesen sein möchte, der in der vergangenen Nacht so süß gesungen; aber dieser, sich gänzlich unwissend stellend, wagte es nicht, den Walther zu verrathen. Da in den beiden folgenden Nächten Walther der Jüngling mit gleicher Schlauheit verfuhr, wollte Helgunda nicht mehr die Verstellung dulden, sondern trieb den Wächter durch Drohungen und Schrecknisse, daß er den Sänger nenne. Als er ihn noch nicht verrathen wollte, befahl sie ihm das Leben zu nehmen; nun nannte der Wächter Walthern als den Sänger und gegen ihn entbrannte Helgunda sogleich voll Liebe, gab sich ganz seinen Wünschen hin und vergaß den Alemannischen Prinzen.
    Dieser, als er sich so schimpflich von der Helgunda zurückgesetzt und Walthern dagegen in dem vollen Genuß ihrer Liebe sah, wurde von heftigem Zorn gegen ihn entbrannt und nahm, in sein Vaterland kehrend, alle Zölle am Rhein in Besitz. Er befahl strenge zu wachen, daß niemand mit einer Jungfrau übergesetzt werde, er zahle dann eine Mark Goldes. Einige Zeit hernach suchten Walther und Helgunda Gelegenheit zu entfliehen und fanden sie. An dem bestimmten Tage entrannen sie; aber als sie an die ihnen erwünschten Ufer des Rheins kamen, verlangten die Schiffer für die Ueberfahrt eine Mark Goldes, welche sie erhielten, aber von dem Uebergange ihn abzuhalten suchten, bis der Sohn des Königs käme. Walther aber, merkend aus dem Verzuge die Gefahr, bestieg bald sein Roß und befahl der Helgunda, sich hinter ihn zu setzen, und in den Fluß springend, setzte er schneller als ein Pfeil über. Als er sich kaum von dem Fluße Rhein entfernt hatte, hörte er ein Geschrei hinter seinem Rücken von dem ihn verfolgenden Alemannischen Prinzen, der mit heftiger Stimme rief: »Treuloser, mit der Tochter des Königs entflohst du heimlich, und ohne Zoll zu entrichten setztest du über den Rhein! Halte an deine Schritte, halt, daß ich mit dir einen Zweikampf beginne und wer Sieger sein wird, soll das Pferd des Besiegten und die Waffen und Helgunda haben.« Diesem Geschrei antwortete Walther unerschrocken und sprach: Was sprichst du von der Königstochter? die Mark Goldes habe ich gezahlt und die Tochter des Königs nicht durch Gewalt erhalten, sondern freiwillig mir folgen wollend, habe

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