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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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peinigenden Gedankens in meine Seele gelegt sein, des Gedankens: allein in der Welt zu stehen, eine Idee, die mich immer mit gräßlicher Beängstigung befällt, wenn eine geliebte Person aus meinem Kreise gerissen wird. Ich muß etwas haben, woran ich mich halte im Leben.
    Meine Puppen, meine Baukasten, meine Thiere gefielen mir gar wohl; zu Weihnachten marschirten gar artiges Fußvolk und Reiter auf, alles ging anfangs gut, bis ich immer wieder dahinter kam, daß ich alles that und die unglücklichen Puppen gar nichts. Keine rührte einen Arm oder ein Bein. Im Unmuth wurden sie daher oft gar zu sehr gestoßen, verloren das, was sie rühren sollten, und den Kopf noch oben drein. An Schelten fehlte es nicht. Meine kleinen Freunde bewegten papierne Puppen, an Drähten und Faden, ich that es auch, sie mußten sogar Komödie spielen, die ich aufführte, obgleich ich nur die höchst dürftigste und mangelhafteste Idee davon hatte; denn erst in meinem zehnten Jahre sah ich die Bühne. Anfangs ging es gut, meine beiden Hände arbeiteten munter und es schien doch eine freiwillige Bewegung in den Puppen zu sein. Aber die Faden verwickelten sich, meine Koulissen, Bücher aus meines Vaters Bibliothek, fielen um, fielen auf die Wachsstöckchen, es brannten Löcher hinein, da nicht schleunig alles gerettet werden konnte, und die ernste Weisung erfolgte: solche Narrenspossen zu lassen; ich sollte nun etwas lernen, das wäre besser. – Es wollte mir gar nicht in den Kopf.
    Was mir das Leben nicht gab, sollte mir die Phantasie ersetzen, und in ihr sollte mir ein Leben aufgehen, das mich Stunden lang beschäftigen konnte, mir jetzt noch Anlaß giebt, öffentlich davon zu sprechen. Die goldenen Mährchen kamen auch zu mir herüber, ich ging durch eine ziemliche Reihe, aber vor allen erschien mir die Person des Däumchen gar wunder lieblich und hübsch, es war das lebendige Püppchen, das ich mir wünschte, zierlich, gewandt, verständig, meine Freundchen waren mir oft zu täppisch und ungeschickt und gingen selten in meine Ideen ein, und doch zum Spielen gar zu schön zu brauchen. Die kleinen Freunde, die zu mir kamen, waren recht angenehm, sie kamen aber zu selten, wir wurden nicht vertraut, darum erfuhren sie auch nichts von den Bildern, die ich mir machte, wovon ich gleich erzählen werde. Einem, glaube ich, sagte ich einmal ein Wort davon, er lachte mich aus, denn ich nahm die Sache in der Wahrheit: es müßte ein Däumchen geben; und nun war mein Mund verschlossen, die Welt meiner Phantasie bewahrt.
    Aus dem einen Däumchen wurden bald mehrere, es ward eine kleine zierliche Familie, die mir vor der Phantasie vorjaukelte und mit der ich mich in Gedanken spielend beschäftigte, indem ich vor meiner Seele die kleinen Gestalten das thun sah, was ich wünschte. Bald ward es ein Völkchen und ich machte mir selbst die Geschichte des stillen Volks, ohne davon etwas gehört zu haben. Mährchen hörte ich nun gar zu gerne und mein zweiter Bruder konnte mich durch ein solches gewaltig erfreuen. Besonders liebte ich von ihm zu hören die Mähre von funfzig Räubern, in dem sich öffnenden und schließenden Berge, da sie gar zu heimlich und schauerlich war, so wie die Geschichte vom Bauer Kiebitz. Wie ein ächter und wahrer Mährchenerzähler thun muß, stand der Gang der Geschichte stets unwandelbar fest und ich konnte mich nicht satt hören, wenn mich auch bisweilen die Frage, mitten im Erzählen, ob ich den Nachtwächter wohl hörte und ob ich die Männer wohl bemerkte, unbedeutende Worte, die mir aber immer einen Schauer einflößten, ohne mich eigentlich furchtsam zu machen, sehr erschreckte.
    Ich hatte aber auch Mährchen, die ich wirklich haßte, vor allem die Geschichte, mit der auch Sancho Pansa seinen Herrn nicht wenig erzürnt, mit der Erzählung von dem Hirten, der die vielen tausend Schafe einzeln über den Fluß setzen muß, das gar zu hübsch anfängt und gar zu kurz ist; denn man glaubt, daß jenseits des Stromes ein herrliches Mährchenland liegen muß, da alle andere Mährchen zu einem Ziele führen, nur dies nicht. Immer hoffte ich zu erharren, daß das letzte Lamm hinüber wäre und nun die Geschichte begönne, aber immer ward ich auf fernere Zeit verwiesen; er sei noch nicht hinüber und so harre ich noch. Doch ward ich ein paarmal mit der Geschichte angeführt.
    Das stille Volk in meinem Innern ward mir stündlich werther, täglich mehrte sich der keine Roman, der in meiner Seele sich entspann, aber ich betrachtete es

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