Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)
dass ich …«
»So, Euch ist etwas bewusst? Euch ist das ganze Ausmaß Eures Handelns bewusst? Euch ist bewusst, dass sich die Royal Society der Royal Navy gegenüber wird erklären müssen?« Wellington stieß sich vom Tisch ab und lief hinter sie.
»Und Euch ist bewusst, dass Ihr das Ansehen eines renommierten Forschers und seines Gehilfen, der auf dem besten Weg war, ein neuer Stern am Firmament der Wissenschaft zu werden, beschmutzt habt? Dass Ihr, man möge mir den Ausdruck verzeihen, zwei Narren aus ihnen gemacht habt, die offensichtlich nicht in der Lage waren, Mann von Weib zu unterscheiden?«
Die Hand war nicht nur nass, sie war eiskalt, als Mary sich damit über die Stirn fuhr. Wellington schwieg, und kurz hoffte sie, er wäre ans Ende seiner Schmähungen gekommen. Sie wagte nicht, sich umzudrehen und ihn anzusehen.
»Ihr habt die Männer der Lächerlichkeit preisgegeben. Das wisst Ihr?« Er war nähergetreten, leise erklang die Stimme, dieses Mal direkt hinter ihr.
Sie schloss die Augen, und ihr Rücken fiel in sich zusammen.
»Habt Dank für Euren Vortrag«, ertönte die Stimme von Sir Joseph Banks, »ich hätte da auch noch gern einige Aspekte erläutert.« Die Arme auf den Tisch gestützt, wartete er, bis Sir Wellington wieder neben ihm Platz nahm. »Miss Linley, gehe ich recht in der Annahme, dass Sir Belham nicht darüber informiert war, dass Ihr eine Frau seid, als man Euch anheuerte?«
Sie schaute auf den Boden und nickte.
Sir Wellington schnaufte auf. »Sag ich’s doch. Eine Betrügerin ist sie«, rief er in den Raum.
»War Sir Belham«, fuhr Sir Joseph Banks unbeirrt fort, »darüber unterrichtet, dass Ihr eine Frau seid, als er mit Euch die Arbeit auf Tahiti aufnahm?«
Sie nickte. »Ja, das war er«, sagte sie, erleichtert, dass ihre Stimme in dem riesigen Saal nun deutlich zu vernehmen war.
»Warum, meint Ihr, nahm er Euch mit? Er hätte Euch auch unter Kapitän Taylors Obhut wieder gen Heimat reisen lassen können.«
»Sir, sicherlich wird Euch die Antwort verwundern. Er versicherte mir mehrmals, er würde meine Arbeit schätzen.«
»Worin bestand Eure Arbeit?«
»Durch meinen Vater erfuhr ich eine umfassende Ausbildung zum Botaniker …«
»Wollt Ihr damit sagen, Ihr seid ein Botaniker?«, lachte Wellington auf.
»Nein, Sir, genaugenommen möchte ich damit sagen, dass ich Botaniker
in
bin.«
Wellingtons Kinnlade klappte herunter. Einige der Beisitzer hatten sich zueinandergebeugt und flüsterten miteinander.
»Vertraut mit den Systema Naturae«, Mary hob ihre Stimme, um die Unruhe im Saal zu übertönen, »und mit dem Verfertigen von Skizzen und dem Anlegen eines Herbariums, aber auch mit den Grundkenntnissen der Medizin versehen.«
Die Falte auf Wellingtons Stirn hatte sich vertieft, und erneut lachte er boshaft auf.
Sir Banks erhob die Hand, ließ sie flach auf den Tisch fallen und brachte die Männer der Versammlung zum Schweigen.
Nie hätte ich gedacht, dass ich mich einmal so darüber freue, dass diese Hand auf einen Tisch fällt.
»Bei einer Überprüfung der mitgebrachten Sammlungsstücke könnt Ihr Euch gern davon überzeugen«,fuhr sie fort. »Alle Schriften, Zeichnungen und Belege des Herbariums, die meiner Tätigkeit entstammen, sind mit meinem Namen gekennzeichnet. Auch die von mir zusammengetragenen Sammlungsstücke sind mir zugeordnet. Darauf legte Sir Belham wert.« Sie legte ihre Hände auf die Lehnen des Stuhls.
Wellingtons Kopf schoss vor, dass sein faltiges Kinn von einer Seite zur anderen schwappte. »Ihr hattet genug Zeit, auf der Rückfahrt alles so vorzubereiten, um auch uns zu täuschen.«
Sir Banks wiegte den Kopf. »Langsam, langsam. Wir sollten erst einmal in Betracht ziehen, dass Sir Belham diese Frau mit sich nahm. Wir sollten in Erwägung ziehen, dass dies sein Entschluss war. Zudem«, er lächelte, »kann ich mich daran erinnern, dass Miss Linley eine, nennen wir es ungewöhnliche erzieherische Aufmerksamkeit seitens ihres Vaters erhielt.«
Das Blut schoss Mary in den Kopf, und ihre Wangen wurden heiß.
Zwei Männer lachten auf, und Sir Wellington kreuzte die Arme vor der Brust.
»Ja, ich halte es durchaus für denkbar, dass Miss Linley von ihrem Vater eine für Mädchen ungewöhnliche Förderung erfuhr. Deshalb würde ich gern von den Anschuldigungen abgehen und zu der Aufstellung kommen, die der Royal Society von Euch vorgelegt wurde, in der Ihr die Sammlungsstücke in einer Übersicht kategorisiert.«
Ihr Atem wurde flach,
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