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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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seiner Hand gewärmt, doch sie durfte nicht zu spät erscheinen.Sie versuchte, ihm ein Lächeln zu schenken, bevor sie sich dem Wind überließ, der sie kraftvoll dem Portal entgegenschob und ihren Rücken stützte.
    Ein junger Mann nahm sie in Empfang und führte sie durch das Entree, dem Gang auf Gang und Tür auf Tür folgten. Menschen eilten ihnen entgegen und verschwanden.
    Vor einer Flügeltür hielt der Mann inne. Erst jetzt bemerkte Mary, dass er aussah wie der kleine Bruder von Ebenezer Stone, dem Portier des Navy Board. Mit ebenjenem wässrigen Blick zeigte Ebenezer Stones Ebenbild auf die Flügeltür. »Die Herrschaften erwarten Euch bereits«, sagte er. Dann legte er die in einem weißen Handschuh steckende Hand auf die Klinke und schwang die Flügeltür auf.
    Mary rührte sich nicht. Ein Saal lag vor ihr, so groß, wie sie noch keinen gesehen hatte. In U-Form angeordnete Tische, in der Mitte, weitmöglichst von der Stirnseite entfernt, ein Stuhl. Am Tisch Männer jeden Alters, fünfundzwanzig, vielleicht auch mehr. Über den Männern wieder Männer, die von ihren Porträts auf die Szenerie herabschauten.
    Der Mann neben ihr hüstelte. Mary betrat den Saal und hörte das Klappern ihrer Absätze auf dem glänzenden Parkett und das Schlagen der Flügeltüren, die hinter ihr geschlossen wurden. Sie blieb stehen, fasste in den Stoff ihres Rockes, hob ihn leicht an und machte einen Knicks.
    Die Männer erhoben sich, nickten ihr zu und sanken wieder in ihre Stühle. Unergründliche Blicke, die sie musterten, flogen durch den Raum. Der Mann, der mittig der Stirnseite seinen Platz hatte, blieb stehen. »Miss Linley, seid gegrüßt. Wir möchten Euch bitten, Platz zu nehmen.«
    Diese Stimme kannte sie. Sir Joseph Banks. Er war persönlich erschienen, um über ihr Schicksal zu befinden. Hoffnung keimte in Mary auf. Er würde die Tragweite der Arbeit verstehen, er würde die Ergebnisse zu schätzen wissen. Die unzähligen Belege desHerbariums, die Insektensammlung, die Gesteinsproben, das erweiterte Vokabularium, selbst in Fragen der Grammatik waren sie vorangekommen. Gemeinsam hatten sie Sir Banks’ Wörterbuch mit nach Tahiti genommen, und nun würde sie es ihm erheblich ausgebaut wieder überreichen. Auch die Aufzeichnungen zu den Ritualen der Völker auf den Inseln des Stillen Ozeans waren umfassend. All das würde sein Interesse wecken. Sie atmete tief durch.
Vielleicht wird alles gut
, dachte sie.
    Sir Joseph Banks wies auf den Mann zu seiner Rechten, der eine dick gepuderte Perücke trug, die tief in seine Stirn hing. Eine Stirn mit einer Falte, die aussah, als wäre sie mit dem Messer zwischen die Augenbrauen gezogen.
    »Jetzt möchte ich das Wort Sir Wellington übergeben«, sagte Banks und lehnte sich in seinen Stuhl zurück, legte die Arme über seinen Bauch und faltete die Hände. Für einen Wimpernschlag sah Mary ihn in der Loge eines Theaters in genau jener Position darauf warten, dass der Vorhang sich hob und das Schauspiel des Abends seinen Lauf nahm.
    »Miss Linley«, sagte Sir Wellington und machte eine Pause. »Miss Mary Linley. Die Tochter von Francis Linley.« Er schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
    Wo sich eben noch Hoffnung ausgebreitet hatte, machte sich mit einem Schlag Entsetzen breit. Marys Hände, die auf ihrem Schoß lagen, begannen so stark zu zittern, dass sie das leise Rascheln des Damast-Rockstoffes unter ihnen vernahm.
    »So, so«, murmelte Wellington und lief links hinter den Beisitzern entlang, bog dann nach rechts, ohne den Blick von ihr zu lösen. Für einen Moment verschwand er aus ihrem Blickfeld, dann tauchte rechts neben ihr sein massiger Leib auf. Er schlug einen Bogen, umrundete sie, blieb an der inneren Stirnseite des Tisches stehen und lehnte sich gegen die Platte. Die Arme verschränkte er vor der Brust. »So sieht also die Frau aus, die König Georg, dieRoyal Navy und natürlich auch uns zum Narren gehalten hat. Die sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen, ohne eine Qualifikation den gut dotierten Posten eines Zeichners erschlichen hat, um«, Wellington atmete tief ein, »ja, um was? Was hatte eine Frau an Bord eines wissenschaftlichen Expeditionsschiffes zu suchen?«
    Er schwieg und blickte auf Marys Finger, die sich in den Stoff ihres Beutels gruben und die Form des Medaillons und der Zinnfigur erspürten.
Soll ich etwas sagen? War das eine ernstgemeinte Frage?
»Sir«, setzte sie leise an, »mir ist bewusst,

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