Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
1
    Über den sommerlichen Inarisee pfiff ein kalter Wind. Der arbeitslose Holzfäller Hermanni Heiskari starrte mürrisch in die runde Öffnung, die er in das gut einen Meter dicke Eis gebohrt hatte, und knurrte:
    »Alles für die Katz.«
    Aus diesem Eisloch hatte Hermanni Heiskari, 49, weder einen Saibling noch irgendeinen anderen Fisch gezogen, und auch nicht aus den zehn anderen Eislöchern, an denen er im Verlaufe der letzten zwei Tage geangelt hatte. Die Eisdecke auf dem See war immer noch so dick, obwohl es bereits Juni war. An den Ufern war hier und da bereits Schmelzwasser zu sehen, aber weiter draußen war das Eis ganz fest. Oft wurden auf dem Inarisee noch zu Mittsommer Wettbewerbe im Eisangeln ausgetragen. Die Männer feierten die ganze Nacht, veranstalteten anschließend die Wettkämpfe, und am nächsten Tag fuhren sie nach Hause, um Heu zu machen.
    Wenn ein Angler statt Lachs Erbsensuppe aus der Dose essen muss, macht ihn das wütend, vor allem dann, wenn er arbeits- und mittellos ist. Und dazu dieses Wetter! Bereits am vergangenen Abend hatte der Wind in kalten Böen von Norden geweht, gegen Morgen hatte er auf Westen gedreht und war vor einer Stunde fast zum Sturm angeschwollen. Hermanni schätzte, dass jetzt um die Mittagszeit die Windgeschwindigkeit bereits fünfzehn Meter pro Sekunde betrug, und sie schien weiter zuzunehmen. Außerdem fielen Schneeflocken, die dem Angler ins Ge­sicht peitschten, sowie er sich nach Westen wandte.
    Hermanni Heiskari war ein hochgewachsener Mann, er hatte ein längliches Gesicht, seine grauen Augenbrauen waren buschig und zurzeit bereift, und er hatte breite Pranken und einen langen Rücken. Man sah ihm an, dass er viel körperlich gearbeitet hatte. Er war ein Mann der Wälder, tief verwurzelt hier oben im Norden.
    Doch immer öfter überkam ihn das Gefühl, dass es viel lustiger sein müsste, das Leben eines reichen Mannes zu führen. Eines Mannes, der es sich leisten konnte, in einem warmen Land am Swimmingpool zu liegen, und der sich nur körperlich anstrengen musste, um sich auf die andere Seite zu wälzen, wenn ihm die Sonne zu sehr den Pelz verbrannte.
    Hermanni war nun schon fast anderthalb Jahre ohne Ar­beit. Das leistungsbezogene Tagegeld war nur noch wehmütige Erinnerung. Als armer Wanderarbeiter besaß er keinen Motorschlitten, und so konnte er nicht vor dem Sturm flüchten und rasch ans Ufer fahren. Also blieb er einfach vor seinem Eisloch sitzen und dachte, dass es letztlich egal war, ob er hier draußen erfror oder an Land verhungerte.
    Es stürmte immer heftiger. Hermanni musste sich zusammenkauern, damit ihn die Böen nicht von seinem Angelhocker fegten. Er sagte sich, dass die Fische bei diesem Wetter vermutlich nicht anbeißen würden. Andererseits fragte er sich, wie sie unter dem dicken Eis überhaupt wissen konnten, welche Windverhältnisse hier oben herrschten? Vielleicht sagte der Luftdruck den Fischen ja wirklich mehr als den Menschen, und zurzeit herrschte Tiefdruck.
    Luftdruck hin oder her, plötzlich spannte sich die Leine, und die Rute wäre fast ins Eisloch gerutscht. Ein Wunder! Hermanni rollte die Leine auf, und das machte richtig Mühe, fast so, als hätte ein großes Raubtier den Köder geschluckt. Der Sturm war vergessen, jetzt brachte der Eifer das Blut des Anglers in Wallung. Bald stieß das Maul des Fisches von unten gegen den Rand des Eislochs, aber das Tier war zu groß für die Öffnung. Hermanni warf sich bäuchlings aufs Eis und versuchte in die Tiefe zu spähen. Zu dumm, dass er keine Taschenlampe dabeihatte. Der Kopf des Fisches verstopfte die Öffnung, aber herausziehen ließ sich der Bursche nicht, da er zu dick war. Hermanni befestigte die Leine an seinem Angelhocker und machte sich daran, neben dem Eisloch ein zweites zu bohren. Er hoffte, dass der Fisch vielleicht durch die doppelte Öffnung passte, er musste nur vorsichtig sein, dass er beim Bohren nicht die Angelleine durchtrennte.
    Dann trug der Sturm auf einmal aus westlicher Richtung, von den Inseln Kahkusaari und Viimassaari, ein lautes Geräusch herüber, ein Krachen, das sich anhörte, als würden Bäume umstürzen. Das Schneegestöber nahm Hermanni die Sicht, doch er hatte sowieso keine Zeit, dem Sturm zu lauschen, er musste seine Beute retten, einen Fisch, der so riesig war, dass er nicht durchs Eisloch passte.
    Der Lärm verebbte, und unmittelbar darauf tauchte aus dem Flockenwirbel die Quelle des Geräusches auf. Ein riesiger, roter Heißluftballon trieb

Weitere Kostenlose Bücher